Full text: Der Weltmarkt 1913 und heute

106 Die Schraube ohne Ende 
Tendenz löst wiederum eine Verstärkung des überseeischen Bestre- 
bens aus, einen größeren Teil der erzeugten Rohstoffe selbst zu 
verarbeiten. Das bedeutet zunächst wiederum erhöhte Schutzzölle, 
damit weitere Steigerung der heimischen Erzeugungskosten und der 
Konsumbelastung und damit auch wiederum erhöhte Kosten für 
den landwirtschaftlichen Erzeuger, womit der Kreislauf und die 
Schraube der weltwirtschaftlichen Verteuerung von neuem beginnt. 
Wenn heute z.B. in den Vereinigten Staaten berichtet wird, daß ge- 
waltige Massen von Negern aus ihrer bisherigen landwirtschaft- 
lichen Beschäftigung im Süden in die Industrien des Nordens ab- 
wandern (man schätzt die Zahl der nach dem Krieg bis 1923 ab- 
gewanderten Neger auf 500000)°?), so bedeutet das eine Schwä- 
chung des ländlichen Arbeiterangebots, was unbedingt in einer Er- 
höhung der ländlichen Löhne und der Kosten der Bewirtschaftung 
zum Ausdruck kommen muß. In dem Maße, wie sowohl die ameri- 
kanische Union wie Australien nach dem Kriege drakonische Maß- 
nahmen gegen die Einwanderung erlassen haben, muß also die stär- 
kere Industrialisierung die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft 
ungünstig beeinflussen. 
Die Ursachen der heutigen Desorganisation der Weltwirtschaft 
und der durch sie herbeigeführten Ungunst der Weltmarktslage lie- 
gen also klar zutage. Sie sind alle bedingt durch Ereignisse und 
Entwicklungen, welche mit dem Weltkrieg zusammenhängen. Aber 
die Frage entsteht: inwieweit hat die Politik und Wirtschaftspolitik 
der Staaten, die weltwirtschaftlich interessiert sind, diese ungün- 
stige Entwicklung verstärkt, inwieweit hätte sie die Möglichkeit ge- 
habt, sie zu vermindern? 
Unzweifelhaft hat beim Abschluß der „Friedens‘“verträge der 
weltwirtschaftliche Gesichtspunkt und die Rücksichtnahme auf den 
Weltmarkt eine höchst subalterne Rolle gespielt. Die „Sieger“staa- 
ten und ihre Schützlinge sahen jeder für sich in der Tatsache ihres 
Sieges einen so überragenden Vorteil gegenüber der übrigen Welt, 
daß wirtschaftliche Skrupel ausscheiden mußten. Koloniale Macht- 
erweiterung, territoriale Vergrößerung, die Vernichtung bisher ge- 
fürchteter Wettbewerber schienen wirtschaftliche Vorteile genug, um 
92) Vgl. „Labour Supply in the South“. American Cotton Number 
a. a. O0. 5.31.
	        
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