78 Die europäischen Handelsbilanzen
den durch alle jene Momente, welche wir bisher unter dem Kenn-
wort „Selbstversorgung‘“ behandelt haben. Die wachsende industri-
elle Selbstversorgung der überseeischen Länder bedeutet nichts wei-
ter als ein „Los“ von Europa, während Europa dieser Bewegung
weder ein „Los“ vom Weizen, Mais, den Fetten und Ölsaaten, der
Baumwolle, Wolle, Jute und den mineralischen Rohstoffen seiner
bisherigen überseeischen Lieferanten entgegenzustellen vermag.
Die Folge ist eine Tendenz zur Überpassivierung der euro-
päischen Handelsbilanzen. Wir haben die Wirkung dieser Tendenz
bereits an den Gesamtergebnissen der englischen Handelsbilanz
konstatiert. Gerade hier zeigt sich die Enteuropäisierungstendenz
auf das Deutlichste. Denn der enorm gesteigerte Einfuhrüberschuß
‘1913: 158 Millionen, 1924: 341 Millionen Pfund Sterling) erklärt
sich bei näherer Betrachtung durch die Erhöhung des Werts außer-
europäischer Einfuhren und das relativ geringe Anwachsen außer-
europäischer Ausfuhren. Während die Einfuhr nach England (exkl.
Irischen Freistaat) aus Europa von im Jahre 1913 289 Millionen
Pfund Sterling auf im Jahre 1923 299,6 Millionen Pfund Sterling
anstieg, ist diejenige aus den Vereinigten Staaten allein von 130
auf 197, die ganz Amerikas von 137 auf 215 Millionen Pfund Sterling
gewachsen; bei der Ausfuhr das umgekehrte Bild: die europäische
Ausfuhr Englands beträgt im Jahre 1913 178,6 Millionen Pfund Ster-
ling, steigt im Jahre 1923 (ohne Irischen Freistaat) auf immerhin
246,5 Millionen Pfund Sterling, während die Ausiuhr nach den nord-
amerikanischen Ländern nur von 35,6 auf 62,9 Millionen Pfund Ster-
ling zu steigen vermag. Immerhin hat England in seinem Handel
mit den Dominions wahrscheinlich dadurch diese Enteuropäisie-
rungstendenz etwas ausgleichen können, daß die Vorzugszölle eine
Verschiebung der verringerten Gesamtausiuhr Europas zugunsten
Englands bewirken mußten. Jedoch fällt es auch hier auf, daß Eng-
land nach Kanada im Jahre 1923 für 4,3 Millionen Pfund Sterling
mehr ausführte als im Jahre 1913, dagegen für ca. 21,5 Millionen
Pfund Sterling mehr aus Kanada bezog.
Eine überaus willkommne statistische Ergänzung zu der Frage
der Enteuropäisierung der Welt-Handelsbilanz hat neuerdings der
Völkerbund gegeben, In einer im Herbst 1925 veröffentlichten Arbeit,
die sich „Memorandum on Balance of Payments and Foreign Trade