Entwicklung der Sozialversicherung.
Anspruch haben, zu hinterlassen. In Unseren darauf gerichteten Be—
strebungen sind Wir der Zustimmung aller verbündeten Regierungen
gewiß und vertrauen auf die Unterstützung des Reichstages ohne Unter—
schied der Parteistellungen. In diesem Sinne wird zunächst der Ent—
wurf eines Gesetzes über die Versicherung der Arbeiter gegen Betriebs⸗
unfälle vorbereitet. Ergänzend wird ihm eine Vorlage zur Seite treten,
welche sich eine gleichmäßige Organisation des gewerblichen Kranken—
kassenwesens zur Aufgabe stellt. Aber auch diejenigen, welche durch
Alter oder Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesamtheit
gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres Maß staatlicher
Fürsorge, als ihnen bisher hat zuteil werden können. Für diese Für—
sorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber
auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwesens, welches auf den
sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht. Der engere
Anschluß an die realen Kräfte dieses Volkslebens und das Zusammen—
fassen der letzteren in der Form korporativer Genossenschaften unter
staatlichem Schutze und staatlicher Förderung werden, wie Wir hoffen,
die Lösung auch von Aufgaben möglich machen, denen die Staats-
gewalt allein in gleichem Umfang nicht gewachsen sein würde.“
Der hier in großen Zügen dargelegte Plan einer Sicherung der ab⸗
hängigen Arbeit gegen die durch Krankheit, Unfälle, Alter und In—
validität herbeigeführten Notlagen wurde durch eine Reihe von Gesetzen
verwirklicht, die in rascher Folge ergingen. Zuerst wurde die Kranken⸗
versicherung durch das Krankenversicherungsgesetz vom 15. Juni 1883 ge⸗
regelt, das durch neue Gesetze vom 5. Mai 1886, 10. April 1892, 30. Juni
1900 und 25. Mai 1903 ergänzt und verbessert wurde. Die Unfallversiche⸗
rung wurde getrennt für Gewerbe, Land⸗ und Forstwirtschaft, Bauwesen
und Seeschiffahrt in den Gesetzen vom 6. Juli 1884, 28. Mai 1885, 5. Mai
1886, 11. und 13. Juli 1887 geordnet und in fünf neuen Gesetzen vom
30. Juni 1900 erweitert und ausgebaut. Die Invalidenversicherung end⸗
lich wurde zunächst durch das Invaliditäts- und Altersversicherungs⸗
gesetz vom 22. Juni 1889 eingeführt und in dem Invalidenversicherungs⸗
gesetz vom 13. Juli 1899 weitergebildet.
Zwar hatten sich alle diese die Arbeiterversicherung regelnden Gesetze
bewährt. Doch war bei dem neuartigen Stoffe, der ohne Vorbild bear—⸗
beitet werden mußte, nicht anders zu erwarten, daß sie im einzelnen auch
manche Unvollkommenheiten und Mängel zeigten, deren Beseitigung von
vielen Seiten angeregt wurde. Diesen Wünschen hat die Reichsversiche⸗
rungsordnung vom 19. Juli 1911 Rechnung getragen. Sie hat die be—⸗—
stehende Arbeiterversicherung nicht nur im einzelnen vielfach verbessert,
sondern vor allem den Kreis der versicherten Personen erweitert und die
Leistungen erhöht. Sie hat die Fürsorge durch Einführung eines neuen
Zweiges, der beim Tode des Ernährers eintretenden Hinterbliebenen—
versicherung, ergänzt und die gesamten damaligen Gesetze auf dem Gebiete
der Arbeiterversicherung zu einem umfassenden Gesetzeswerke vereinigt.