Full text: Durch Abessinien und Erythräa

station Om Aggar am Setit abessinisches Land betreten. Mit 
einem Telegramm nach Agordat begann die Anordnung 
meines Reiseweges. Gouverneur Zoli wollte mir eine 
Eskorte von sechs bewaffneten Leuten mitgeben. „Aus 
Prestigegründen“, sagte er; „wir Europäer dürfen uns nicht 
von abessinischen Häuptlingen übertreffen lassen.“ 
Die Bahnfahrt nach Agordat war sehr interessant. Einer 
der Sekretäre des Gouverneurs war mein Reisegenosse und 
informierte mich aufs beste. Er machte mich auf gewisse Ein⸗ 
geborene aufmerksam, die Angehörige des Bilenstammes 
waren. Kleine, von Steinringen umgebene Hügel erklärte 
er mir als mohammedanische Gräber. Weiße Steine be— 
zeugen einen natürlichen Tod, schwarze, daß der Begrabene 
von Feindeshand gefallen ist. Die schwarzen Steine sind 
auch ein Erinnerungszeichen für die Familienmitglieder 
des Verstorbenen, daß sie für immer zusammenhalten gegen 
die Familie des Feindes. Cheren ist Sitz und Wohnort 
des Morgani, des Oberhauptes der mohammedanis chen Kirche 
in Erythräa. 
Sudanesen in flatternden weißen Gewändern und mit 
einem Turban umstanden den Zug in Cheren. Auch sah ich 
ein abessinisches, mit Goldschmuck überladenes junges Mäd—⸗ 
chen. Sie trug eine Halskette aus Münzen, die bis unter 
die Taille reichte, halbmondförmige Ohrringe und eine 
goldene Uhr am Handgelenk. Dieser Schmuck und ihre 
leichten Schuhe mit hohen Hacken sowie ihre champagner⸗ 
farbenen Seidenstrümpfe deuteten ebenso wie ihre helle 
Farbe und der europäische Anzug ihres vier Jahre alten 
Sohnes auf ihre Verwandtschaft mit einem Europäer hin. 
Hinter Cheren befand ich mich bald im tiefsten Afrika, 
ohne jede Erinnerung an italienische Bilder mit weißen 
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