Full text: Durch Abessinien und Erythräa

wie er die letzte Nacht geschlafen habe, und drückte ihm meine 
Freude aus, in seinem Lande weilen zu können. Er ant⸗ 
wortete mit höflichen abessinischen Redewendungen. 
Als ich nach Gondar hinaufritt, geschah das in dem Glau⸗ 
ben, daß die zufällige Begegnung dem Fitaurari sowohl als 
auch mir Gelegenheit gegeben habe, uns aller feierlichen 
Verpflichtungen zu entledigen. Es war mir ein angenehmes 
Gefühl, daß ich diese Formalitäten hinter mir hatte und 
nunmehr in der Lage war, mich frei der Besichtigung der 
Stadt widmen zu können. 
Wir sahen wenig Menschen auf dem Wege, der den kahlen 
Hügel hinauf führte. Gondar hat nur an Markttagen An— 
ziehungskraft für die Bewohner der umliegenden Gebiete. 
Die Stadt selbst erscheint einem fast von Menschen ver⸗ 
lassen, wenn man sie zuerst betritt. Die engen, mit Kopf—⸗ 
steinen gepflasterten Gassen sind moosbewachsen. Hohe 
Mauern schützen das in den Hütten und wenigen festen 
Häusern vor sich gehende Leben vor dem Anblick Vorüber⸗ 
gehender. Wenige weißgekleidete Priester und Kinder wer—⸗ 
den sichtbar. Hier und da kommt eine einzelne Frau, die 
einen Steinkrug mit Milch oder Tetsch auf dem Kopf, unter 
dem Arm oder an beiden Stellen trägt. Bei meinem Ritt 
durch die Stadt konnte ich kaum glauben. daß sie fünftausend 
Einwohner zählte, wie man behauptet, oder daß sie ehemals 
eine bedeutende Stadt gewesen ist. 
Aber die Ruinen auf den höhergelegenen Teilen jenseits 
der Stadt sprechen eine beredte Sprache von Gondars stolze⸗ 
sten Tagen. Auf der Spitze des Hügels erblickt man die 
Mauern einer befestigten Burg, die einst den Luginsland 
für die Hauptstadt und das Reich gebildet hatte. Unterhalb 
und innerhalb eines von Mauern eingeschlossenen Raumes 
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