Full text: Durch Abessinien und Erythräa

macher wirken zugleich als Schneider, sie sind die beschäf— 
tigtften Leute in Gondar. Ihr Handwerkername ist Sefe. 
Mein Schuhmacher nahm Maß, indem er die Form meines 
Fußes auf einem Stück Leder nachzeichnete. Darauf legte 
er mir eine Anzahl Stickmuster vor, damit ich die Wahl 
treffen könnte zwischen den Kreuzen, Kriegern, Jägern und 
Löwen von Juda. Stolz zeigte er mir einen Auftrag auf 
Pantoffel, den er kürzlich von der Kaiserin Zauditu er⸗ 
halten hatte. 
Die Bedeutung des Gold- und Silberschmiedes, zu dem 
Efendi mich führte, war schon rein äußerlich deutlich ge— 
kennzeichnet. Er wohnte in einem Hause statt in einem 
Tukul, und die Umfassungsmauer war etwas höher als die 
seiner Nachbarn. Er wurde mir vorgestellt unter dem Namen 
Tessema Worada Hei und als Offizier in der Armee in 
Kriegszeiten mit dem Titel Kenesmatsch, was soviel be— 
deutet wie Befehlshaber des rechten Flügels. Aber trotz 
dieser Stellung hatten Tessema und seine Familie und selbst 
seine Sklaven unter dem Haß, der sich gegen alle Mitglieder 
der Goldschmiedezunft richtet, zu leiden. Der Aberglaube 
behauptet, daß diese Arbeiter in kostbaren Metallen die 
Macht haben, sich in Hyänen zu verwandeln oder die Ge— 
stalt einer schönen Frau anzunehmen, um unbedachtsame 
Menschen in tödliche Gefahren hineinzulocken. Früher wur—⸗ 
den die Goldschmiede bei Ausbruch von Epidemien als ver⸗ 
meintliche Verursacher des allgemeinen Unglücks getötet. 
Noch heute pflegt man sie in solchen Fällen in den Stock zu 
legen. Infolge dieses Vorurteils wählt niemand aus freien 
Stücken diesen Beruf, Goldschmied wird man nur durch 
Geburt. 
Wir erreichten Tessema, indem wir eine schmale steinerne 
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