hatte diesen Ort noch nicht besucht, da er erst vor kurzem in
Abessinien angekommen war, um die Arbeit nach einer er—
zwungenen Zurückziehung der Missionare wiederaufzu—
nehmen. Der alte Mann musterte ihn mit lebhaftem Inter—
esse. Sie führten ihre Unterhaltung, die Baur mir über—
setzte, in amharischer Sprache.
„Ich hörte, daß ihr Missionare wieder in Jenda seid“,
sagte der Alte, „und ich hatte gehofft, etwas zu erhalten.“
„Etwas zu erhalten?“ fragte Baur.
„Ja, Tesvar.“
Tesvar bedeutet Hoffnung, im vorliegenden Falle war
Geld gemeint. Wenn ein Arbeiter eine Tätigkeit ohne be—
stimmte Lohnforderung anbietet, sagt er, er arbeitet mit
Tesvar, womit er andeuten will, daß er nicht nur hofft,
Geld zu bekommen, sondern mehr Geld, als ein etwa fest—
gesetzter Lohn betragen würde.
„Aber warum soll ich Ihnen Geld geben?“ fragte Baur.
„Wir haben die Bibel gebracht.“
Der alte Weber lächelte. „Die Bibel hatten wir bereits,
bevor Sie kamen. Was Sie hinzugefügt haben, bedeutet
keine Verbesserung.“
In der Nachbarschaft von Baur, fünf Minuten vom Sitz
der Mission entfernt, wohnte Alaka Michael Argawi, der
bei der Übersetzung der Bibel in die amharische Sprache mit—
half. Jetzt über achtzig Jahre alt, war er einer der ersten
Bekehrten der Londoner Mission. Seit dieser Zeit ist er
der bedeutendste Mitarbeiter der Missionare unter den
Falaschas gewesen. Als treuer Gehilfe der beiden Flads
war er zweimal in Europa, um Geld und Unterstützung für
die Mission in Abessinien zusammenzubringen.
Jeden Nachmittag während meines Aufenhalts in Jenda
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