Full text: Durch Abessinien und Erythräa

dauerndes, durchdringendes Klagen zu uns herüber. Eine 
Frau hatte die Nachricht erhalten, daß ihr Mann in Addis 
Abeba gestorben sei. Vielleicht war es die später von uns 
auf dem Wege beobachtete Frau, die sich Stirn und Schläfen 
mit einem spitzen Stein blutig riß und sich Staub auf den 
Kopf streute, womit sie Sorge und Trauer zum Ausdruck 
brachte. 
Andere Töne hatten eine mehr kommunale Bedeutung. 
Ein schriller Pfiff forderte die Dorfbewohner auf, sich zu 
versammeln. „Das Dorfgericht“, sagte Hakim, „da hat 
jemand etwas gestohlen. Die Angelegenheit wird erst ein⸗ 
mal eine Woche lang unter den Bäumen diskutiert, bevor 
darüber entschieden wird, was zu geschehen hat.“ 
Eines Nachmittags kündigte ein Trompetenstoß die An— 
kunft eines Beamten an, der die Steuern einzog. Jeder 
Besitzer von mindestens fünfundsiebzig Aeres wurde mit 
einem Ochsen veranschlagt. Jeder freie Mann, ohne Rück— 
sicht auf Einschätzung seiner Steuerkraft, hatte ein Brett, 
das von der Sägemühle erstanden werden konnte, zu liefern. 
Auf unserem Rückwege nach Addis Abeba trafen wir einen 
Zug von Maultieren, die mit Steuererträgen beladen waren. 
Eines unserer Reittiere wurde im Lager krank. Der 
Treiber erklärte die Krankheit als die Wirkung eines von 
einem Gibrilvogel während des Vorüberfliegens auf das 
Maultier geworfenen Schattens. Das Heilmittel für dieses 
geheimnisvolle Leiden bestand in einem Aderlaß, zu welchem 
Zweck ein Einschnitt in der Flanke des Tieres vorgenommen 
wurde. Der Eingriff half nichts, und so mußten wir das 
Tier bei unserer Abreise zurücklassen. Es wäre vielleicht 
besser gewesen, wenn man Hakim, der auf eine Leberstörung 
diagnostizierte, freie Hand gelassen hätte. „Daran leidet 
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