Zunächst schien es, als ob die längere Rede, die ich auf
französisch losließ, keinem anderen Zwecke diente, als
meinen Zorn zu erleichtern. In diesem Augenblicke erschien
indessen ein europäisch gekleideter Athiopier aus dem ein—
zigen Schlafwagen und ersuchte mich, ihm zu folgen. In
dem Abteil, zu dem er mich führte, fand ich Seine Exzellenz
Dedjasmatsch Emerou, den Gouverneur von Harrar und den
dazugehörigen Gebieten. So jedenfalls stellte sich der in
abessinisches Weiß gekleidete und mit einem schwarzen
Seidenkäppchen bedeckte Herr selbst vor. Sein Abgesandter
war Ato Kebreth, der nach Dschibuti wollte, um dort sein
Amt als Konsul anzutreten. Ich hatte früher schon von
Emerou gehört und wußte, daß er ein Mann aus könig—
lichem Blut und von großem Einfluß auf den Negus war.
Seine Provinz Harrar ist eine der reichsten und fruchtbarsten
im ganzen Lande. Ihre Hauptstadt gleichen Namens hat
fünfzigtausend Einwohner, von denen die meisten Moham—
medaner sind.
Emerou sprach Französisch. Mit der schönen weich—
klingenden Stimme, die für seinen Stand so charakteristisch
ist, entschuldigte er sich für die Unhöflichkeit, die mir soeben
widerfahren war.
„Die Eisenbahn ist meinem Volke noch eine zu neue Ein—
richtung“, sagte er, „sie sind mehr an das Reisen mit Maul—
tieren gewöhnt. Meine eigene Hauptstadt ist zwei Tage—
reisen von der Eisenbahn entfernt.“ Wir blickten gemeinsam
zum Fenster hinaus auf die gestikulierenden aufgeregten
Volksgruppen, die auf jeder Station versammelt waren.
Der Zug hatte in Gota einen längeren Aufenthalt. Zu
beiden Seiten der Gleise war eine „Fantasia“ im Gange, in
der ich speertragende Eingeborene zur Musik der Hörner und
ß Norden. Abessinien
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