Full text: Zukunftsmöglichkeiten deutscher Steuer- u. Finanzpolitik

in die höchsten Staffeln hineinragenden Einkommensteile so gut wie ganz 
weggesteuert werden. Einzeleinkommen von vielen Millionen sind für unsere 
liinftige Volkswirtschaft nicht notwendig. Wohl aber ist es dringend not 
wendig, daß die Verschärfungen der Progression auf die Geldentwertung 
Rücksicht nehmen und den Beziehern von nach dem heutigen Geldwert noch 
mittleren Einkommen noch ein erträgliches Dasein ermöglichen. Je weiter 
hinauf in die Reihen der selbständigen Unternehmer und der Geistesarbeiter 
aller Art man durch Überspannung der direkten Steuern die Existenzsorgen 
trägt und diese Kreise sozial herabdrückt, um so sicherer lähmt man ihre für die 
Volkswirtschaft und für das Wohl der handarbeitenden Klassen unerläßliche 
Spannkraft und Unternehmungslust, die ohnehin schon in bedrohlichem Um 
fang dumpfer und stumpfer Resignation Platz gemacht hat, der Folge der 
jahrelangen, bei den Geistesarbeitern nicht durch Schwer- und Schwerst- 
arbeiterzulagen gemilderten Unterernährung und der Umwälzungen mit der 
drohenden Volschewismusgefahr. Wieviele unter uns Älteren aus jenen 
Kreisen verfügen augenblicklich denn überhaupt noch Uber soviel Optimismus, 
um für den Rest unseres Lebens noch auf erträgliche Daseinsbedingungen zu 
hoffen? Auf der andern Seite wird man zwar die sog. Kinderprivilegien 
weiter auszubauen haben, aber sich dabei gegenwärtig halten müssen, daß die 
mit ihnen gewährte Erleichterung in Wirklichkeit wirtschaftlich nicht allzuviel 
ausmacht, finanziell aber für die steuerberechtigten Gemeinwesen schwer in die 
Wagschale fällt. Vor allem soll man sich nur nicht einbilden, mit Steuer 
erleichterungen künftig noch nennenswerte bevölkerungspolitische Erfolge er 
zielen zu können, wenn auch steuerliche Differenzierungen zwischen Familien 
vätern, Verheirateten und Ledigen und bei Ermäßigungen nach der Zahl der 
Familienangehörigen die Mitzählung der Ehefrau vom Eerechtigkeitsstand- 
punkte geboten sind. Wer aus den nicht als zum Proletariat gehörig aner 
kannten Kreisen nicht ohnehin trotz der heutigen Zustände den Mut zur 
Familiengründung oder -Vermehrung besitzt, den werden auch noch so weit 
gehende Steuerbegünstigungen nicht zu diesem Schritte bewegen. 
Eher noch mit der steuerlichen Selbständigkeit der Einzelstaaten verträglich 
ist die Übernahme auch der dauernden Vermögens st euer („Ergän 
zungssteuern") durch das Reich. Es hat sogar etwas für sich, wenn schon einmal 
das Reich zu einer einmaligen effektiven Vermögenssteuer genötigt ist und 
die Vermögenszuwachssteuern in seiner Hand behält und ausbaut, ihm die 
gesamte Vermögensbesteuerung zu überlassen. Wenn den Einzelstaaten jetzt 
ihre Vermögenssteuern vom Reiche entzogen werden, so sind sie zum guten Teile 
selbst daran schuld, weil sie unter dem Einflüsse der früheren Dreiklassen 
parlamente und Ersten Kammern den Ausbau dieser Steuern durch pro 
gressive Gestaltung, die allein der Aufgabe der dauernden Vermögenssteuern, 
das Besitzeinkommen in angemessenem Verhältnisse vor gleich hohen Arbeits 
einkommen vorzubelasten, gerecht wird, und Erhöhung der Sätze unterlassen 
haben. Jetzt liegt umgekehrt wie früher die Gefahr einer Überspannung vor, 
die allerdings im Reiche vielleicht noch nicht einmal so groß ist wie in ein 
zelnen Bundesstaaten. Auch bei der dauernden Vermögenssteuer wird die 
sog. Durchstaffelung anzuwenden sein; dann kann man bei den großen Ver 
mögen hinsichtlich der in die obersten Staffeln fallenden Beträge wie bei der 
Einkommensteuer bis zu sehr hohen Sätzen gehen, während bei den mittleren 
bis.weit hinauf Maß zu halten ist) denn man darf nicht übersehen, daß der 
wirtschaftliche Wert des Vermögens infolge der Geldentwertung ungeheuer 
abgenommen hat. 
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