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Prophezeien ist ein undankbares Geschäft. Das haben neuerdings alle
die an maßgebenden und nicht maßgebenden Stellen stehenden Persönlich
keiten erfahren, die — wie man zu ihrer Ehre annehmen muß, aus innerster
Überzeugung — uns mit apodiktischer Sicherheit den glücklichen Ausgang
des Krieges vorausgesagt haben. Erfahren mußten es aber auch die, die, wie
ich, entgegengesetzter Ansicht waren und namentlich seit dem Eintritt
Amerikas in den Krieg und seitdem auch ein Blinder die Wirksamkeit der
Hungerblockade sehen mußte, von einem mindestens nicht siegreichen Ende des
Krieges überzeugt waren. Unsere Überzeugung mußten wir in unserm Innern
verschließen oder konnten sie höchstens im engsten Freundeskreise schüchtern laut
werden lassen. Auch die leiseste Warnung machte die Zensur der stellvertreten
den Generalkommandos, deren Handhabung ihrer fast unbegrenzten Macht
befugnisse nicht am wenigsten an dem Zusammenbruche der inneren Front schuld
ist, unmöglich, und selbst im engsten Kreise riskierte man, die allerhöchste Ent
rüstung sonst ganz verständiger Leute zu erregen, sobald man nur den gering
sten Zweifel an dem siegreichen Ausgange des Krieges, an der Zweckmäßigkeit
und Wirksamkeit des O-Bootkrieges, der uns Amerika auf den Hals gehetzt,
und an der Möglichkeit unseres Durchhaltens äußerte. Die heutigen völlig
ungeklärten Verhältnisse machen vollends jede Voraussage von heut auf mor
gen zur Unmöglichkeit. Ich werde mich denn auch schwer hüten, hier Prophe
zeiungen über die Zukunft unserer Finanz- und Steuerpolitik zum besten zu
geben. Nur wie diese sich meiner Ansicht nach möglicherweise gestalten
kann, nicht wie ich erwarte, daß sie sich gestalten w i r d, sei in kurzen Um
riffen angedeutet.
Zn einer so trostlosen Finanzlage, wie überhaupt in so verzweifelter
Lage, wie gegenwärtig Deutschland, hat sich wohl noch nie ein Eroßstaat
befunden. Wir ernten jetzt die Früchte der Mißachtung der finanziellen Folgen
des Krieges während des letzteren, an der Reichsregierung und Reichstag
gleich schuldig sind, da sie den militärischen Stellen das diesen abgehende
Verständnis für diese Seite des Krieges hätten beibringen müffen, statt sich
ihrerseits auch den Anschein zu geben, als glaubten sie an die Unerschöpflich-
keit unserer finanziellen Kräfte. Am 15. Februar hat der Reichsfinanz
minister Schiffer unsere effektiven Kriegskosten auf 161 Milliarden be
ziffert, worunter sich die ungeheuere Summe von 58 Milliarden schwebender
Schulden befindet. Wieviel noch an Kriegsentschädigungen an unsere Feinde
hinzukommen wird, ist noch nicht zu übersehen. Vor dem Kriege wurde unser
Volksvermögen auf etwa 330—400 Milliarden geschätzt (für 1911 H e l f f e -
r i ch 331—337, Ballod 331, für 1914 Steinmann-Bucher 376—397
Milliarden). Alluzuviel Wert lege ich auf diese Schätzungen nicht.
H e l s f e r i ch hat sich in seiner späteren staatsmännischen Laufbahn als ein
derartiger Optimist erwiesen, daß ich allen seinen zu für uns günstigen Ergeb
nissen führenden Berechnungen und Schätzungen einigermaßen skeptisch gegen
überstehe, und mein Mißtrauen wird noch gesteigert, wenn es sich, wie bei der
H e l f f e r i ch schen Schrift, um einen Beitrag zu einem anläßlich des Regie
rungsjubiläums Wilhelms II. erschienenen Werke über die Entwicklung