Full text: Zukunftsmöglichkeiten deutscher Steuer- u. Finanzpolitik

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Deutschlands während dessen Regierungszeit handelt. Steinmann- 
Bucher aber will in seiner Schrift „Das reiche Deutschland" „gegeü die 
Reichsverdrossenheit, gegen den wirtschaftlichen und sozialen Pessimismus 
der Deutschen streiten". Es liegt nahe, daß eine solche Tendenz zu dem Gegen 
teil von dem bekämpften Pessimismus, d. h. zu übertriebenem Optimismus 
verleitet. Hätten wir etwas mehr Pessimismus besessen oder vielmehr, wäre 
nicht jede Äußerung eines solchen während des Krieges von den Militär 
befehlshabern gewaltsam unterdrückt und von der Militärpartei, den All 
deutschen, der Vaterlandspartei und Schwerindustrie totgeschrien und als 
„Landesverrat" gebrandmarkt, selbstüberheblicher, blinder Optimismus als 
alleiniger Patriotismus abgestempelt worden, dann wäre es mit uns nicht 
so weit gekommen, wie es gekommen ist. G w i n n e r, dessen Autorität ich 
nach dem Eindruck, den ich von Helfferichs Reichsfinanzwirtschaft ge 
wonnen habe, doch höher wie die des letzteren anschlage, kam 1913 nur auf 
„mindestens 300 Milliarden". Vor allem aber sind in den Milliarden 
Helfferichs und S t e i n m a n n - V u ch e r s eine erkleckliche Zahl solcher 
enthalten, die als realisierbares Aktivum dem Passivum von Schulden nicht 
gegenübergestellt werden können, wie z. V. das den Zwecken der Rechtspflege, 
der Verwaltung und des Unterrichts gewidmete Vermögen von Reich, Staat, 
kommunalen Verbänden und Sozietäten; für jedes verkaufte Dienst- oder 
Schulgebäude muß regelmäßig ein noch kostspieligerer oder doch ebenso oder 
nahezu ebenso teuerer Ersatz beschafft werden. 
Wären aber selbst die Schätzungen eines H e l f f e r i ch und Stein- 
m a n n - B u ch e r für die Zeit vor dem Kriege richtig und nicht, wie ich es 
tue, die Warnungen meines hochverehrten, alten Freundes, des damaligen 
Reichsschatzsekretärs Kühn, vielleicht des vorsichtigsten Finanzpolitikers in 
leitender Stellung seit Miguel, vor den „phantastischen" Schätzungen des 
deutschen Volksvermögens schon für die damalige Zeit als berechtigt anzu 
erkennen, so fragt es sich, wievielvon dem vordem Kriegevor 
handen gewesenen Volksvermögen heute noch übrig ist. 
Legt man die phantastischen Kriegspreise zugrunde, dann konnte man viel 
leicht für die Zeit vor unserm Zusanimenbruche dazu gelangen, unser Volks 
vermögen trotz der Milliarden an in die Luft gefeuerten Metallen und 
Sprengstoffen, im Felde und in der Etappe vergeudeten Vorräten, der Leere 
aller Rohstofflager, der Verwahrlosung unserer Gebäude, der Erschöpfung 
unseres Grund und Bodens, der Abnutzung aller Maschinen, der Verschlechte 
rung und Verringerung des Hausrats in den Haushaltungen usw. bei 
Anwendung der H e l f f e r i ch scheu und S t e i n in a n n - B u ch e r scheu 
Methoden noch höher zu veranschlagen, als es diese getan hatten. Aber wenn 
es sich darum handelt, das Volksvermögen mit den öffentlichen Schulden, die 
auf lange Jahrzehnte hinaus zu verzinsen und günstigstenfalls sehr allmählich 
abzutragen sind, zu vergleichen, dann kann man nicht jene unnatürlichen, 
durch Kriegsverhältnisse, den Heeresbedarf, die Hungerblockade, das Hinden- 
burgprogramm und die Valutaentwertung bedingten Kriegspreise der Bewer 
tung des Nationalvermögens zugrunde legen. Die Ziffern der Verschuldung 
sind etwas Bleibendes, die auf jenen Kriegspreisen aufgebauten des Volks 
vermögens sinken mit der Wiederkehr normalerer Preise. Selbst unter Zu 
grundelegung der heute noch anormalen Preise würde aber heute schon die 
Schätzung des Volksvermögens ein weit ungünstigeres Ergebnis haben als 
etwa noch im vorigen Sommer. Dafür haben unsere Waffenniederlegung, die
	        
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