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zu verlieren haben, private wie öffentliche Betriebe dazu verurteilen, mit
Unterbilanz zu arbeiten?
Ein Staatsbankrott ist ja in sehr verschiedener Weise und Intensität
möglich. StR a n c s 4 ) unterscheidet zwölf Arten von Staatsbankrotten, nämlich
vier, die nur in Verletzung der Zinszahlungspflicht — durch Herabsetzung der
Zinshöhe, Hinausschiebung der Zinszahlung, Aufhebung der Zinszahlung
und Wiederwegnahme der gezahlten Zinsen durch besondere Kuponsteuer —,
vier, die nur in Verletzung der Kapitalrückzahlungspflicht — durch Hinaus
schiebung der Rückzahlung, Umwandlung in andere Schuldgattungen, Herab
setzung des rückzahlbaren Kapitals ünd Umwandlung einer Metall- in eine
Papiergeldschuld —, und vier, die in Verletzung der Zinszahlungs- und
zugleich der Kapitalrückzahlungspflicht — Herabsetzung beider oder Streichung
beider (Repudiation) — bestehen. Die mildesten Formen sind die bloße
Herabsetzung der Zinshöhe, die Hinausschiebung der Kapitalrückzahlung und
die Umwandlung in eine andere Schuldgattung, die aber, wenn der Unter
schied der beiden Schuldgattungen nur in der Höhe der Zinsen besteht, gleich
bedeutend mit der bloßen Herabsetzung der Zinshöhe ist. Natürlich kann hier
von einem Staats bankrott nur die Rede sein, wenn der Staat einen
bestimmten Zinsfuß für eine bestimmte, noch nicht abgelaufene Zeitdauer
zugesagt hatte, wie es bei den Kriegsanleihen bis 1924 der Fall ist, oder wenn
er es ablehnt, denen, die mit der Konvertierung nicht einverstanden sind, das
Kapital zurückzuzahlen (Zwangskonversion). Die härteste Form ist die Repu
diation, der die dauernde Aufhebung der Zinszahlung und die wohl
praktisch nie vorgekommene völlige Wegsteuerung der Zinsen durch eine
Kuponsteuer nahekommen. Doch bildet eine Form des Staatsbankrotts eine
Kuponsteuer nur dann, wenn sie lediglich die Staatsanleihen, nicht, wenn sie,
wie die jetzt erwogene Kapitalertragssteuer, Kapitalanlagen aller Art trifft.
Gemeinsam ist allen Formen des Staatsbankrotts, daß sie einen Rechts
und Vertrauensbruch darstellen. Bei den Kriegsanleihen wäre der Ver
trauensbruch besonders gröblich. Denn das Reich hat mit allen, zum Teil ziem
lich bedenklichen Mitteln seine Angehörigen aller Wohlstandsklassen und ins
besondere auch die kleinen Leute, die vermögenslosen Beamten, diese sogar durch
Gehaltsvorschüsse, ferner auch die zur pupillarisch sicheren Anlage kleiner
Ersparnisse und von Mündelgeldern bestimmten und verpflichteten oder ihrer
seits als pupillarisch sicher anerkannte und dementsprechend benutzte Schuld
verschreibungen ausgebenden Kassen und Institute zur Zeichnung der Kriegs
anleihen bewogen. Es wäre auch doppelt beklagenswert, wenn der völlige
Niederbruch des Rechtsempfindens und des Gefühls für Ehrlichkeit, Treu
und Glauben nun seine „großzügige" Krönung durch einen Bruch aller auch
noch von der Revolutionsregierung abgegebenen feierlichen Versprechungen
der Unantastbarkeit der Kriegsanleihen erhalten sollte.
Aber auch volkswirtschaftlich wäre ein Reichsbankrott, möchte er nun in
einer Annullierung der Reichsanleihen oder auch nur in der Einstellung der
Zinszahlung für eine Reihe von Jahren bestehen, so verhängnisvoll wie kein
früherer Staatsbankrott, weil die Kriegsanleihen, um die es sich ja in der
Hauptsache handeln würde, in der Tat „Volksanleihen" sind, in denen nicht
bloß „Kapitalisten" im landläufigen Sinne und die Kriegsgewinnler aus
Industrie, Handel, Landwirtschaft und Vermittler- und Schieberkreisen ihre
*) „Staatsbankrotte".