Kriegsgewinne angelegt haben, sondern in bei andern öffentlichen Kreditopera
tionen nie dagewesenem Umfang auch die kleinen und kleinsten Sparer ihre
mühsam ersparten kleinen Vermögen, erwerbsunfähige kleine Rentner, Witwen
und Vormünder der Waisen ihre und ihrer Mündel geringe Vermögen, von
deren Zinsen sie leben müssen, die Ausbildung der Mündel zur Erwerbs
fähigkeit bestritten werden mutz. Gerade diese Kreise sind es auch, die am wenig
sten die Eeschiälichkeit haben, sich ihres Besitzes an Kriegsanleihen noch recht
zeitig zu entäußern. Es bedarf keines Wortes darüber, welches Elend in
diesen Kreisen durch Annullierung der Kriegsanleihen oder Einstellung der
Zinszahlung hervorgerufen werden würde. In dem Kriegsanleihebesitz
der großen wie der kleinen Gewerbetreibenden und Landwirte aber stecken
nichts weniger als nur deren Kriegsgewinne, vielmehr zum gewaltigen Teile
auch infolge durch den Krieg notwendig gewordener Betriebseinschränkungen
zeitweise entbehrliches, aus dem Betriebe herausgezogenes, nach dem Kriege
aber dringend notwendiges Betriebskapital. Sein Verlust wäre gleich
bedeutend mit dem Zusammenbruche zahlloser großer wie kleiner Unter
nehmungen, und die Folge dieses Zusammenbruches wäre das Brotloswerden
ungezählter Arbeiter und Angestellten. Auch diejenigen ziemlich großen Kreise
der, namentlich der großstädtischen Arbeiterschaft, die sich an den Kriegs
anleihen nicht beteiligt, sondern es vielfach vorgezogen haben, ihre Riesen
löhne zu verprassen oder in lächerlichen Luxusanschaffungen anzulegen, und
die deshalb vielleicht heute der Forderung nach Annullierung der Kriegs
anleihen Beifall zollen, würden die Folgen in schmerzlichster Weise am
eigenen Leibe zu spüren bekommen. Mit dem wirtschaftlichen Ruin der
unmittelbaren Besitzer von Kriegsanleihen in allen Ständen und Berufen
wäre es aber noch längst nicht abgetan. Zu ihm träte der Zusammenbruch
von Sparkassen, Kreditinstituten, Banken und andern Erwerbsgesellschaften,
die die eigenen und ihnen anvertrauten Gelder in Kriegsanleihen angelegt
haben und ihre Sparer, Kunden, Aktionäre und Gewerken in den Strudel des
eigenen Zusammenbruchs hineinziehen würden. So wäre ein Reichsbankrott
in einem Umfange wie kein früherer Staatsbankrott gleichbedeutend mit dem
Bankrott schlechthin zahlloser Einzelwirtschaften, Gesellschaften und Institute.
Rur ein wenig gemildert, nicht verhütet werden könnte diese wirt
schaftliche Katastrophe, wenn die Streichung der Anleihen oder Ein
stellung der Zinszahlung keine vollständige oder aber keine allgeineine
wäre, sondern nach etwa dem Verhältnisse des Besitzes an Reichsanleihen
zum Gesamtvermögen der einzelnen Anleihebesitzer abgestuft würde,
dergestalt, daß z. B. demjenigen, der nicht mehr als % seines Ver
mögens in Kriegsanleihe angelegt hat, diese bzw. ihre Zinszahlung
völlig gestrichen würden, demjenigen, von dessen Vermögen sie mehr als
% bis zu % ausmacht, nur zu % und so fort, wobei dann immer aber auch
noch auf die absolute Höhe des Vermögens Rücksicht zu nehmen wäre, indem
je höher letzteres wäre, ein um so größerer Teil der in ihm enthaltenen
Kriegsanleihe zu streichen bzw. zinslos zu lassen wäre. Damit käme man
indes im Grunde genommen zu einer Vermögens- oder Kapitalertrags
steuer, aber in einer rohen und ungerechten Gestalt, weil sie nicht, wie
eine allgemeine Vermögens- und Kapitalertragssteuer, alle Arten des
mobilen Kapitals, sondern nur das in bestimmten Werten angelegte erfaßte.
Der finanzielle Effekt eines dergestalt verfeinerten Bankrotts für das Reich
wäre natürlich ungleich geringer als der einer ausnahmslosen Repudiation
der Anleihen oder Einstellung des Zinsendienstes.
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