Full text: Die deutsche Hausindustrie

§ 1. Begriff der Hausinduftrie 
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fatz feiner Produkte nur durch anderweitige kauf- 
männifche Vermittlung erreicht!“ 1 ) 
Unter Beibehaltung des Schmollerfchen Gedankens, da(z der Abfatz der 
Produkte durch einen andern etwas Wefentliches in der Hausinduftrie fei, 
hat fpäter S t i e d a * 2 ) außerdem die Tätigkeit im eignen Heim als weiteres 
Wefenselemcnt betont. Das ift nun freilich dahin zu erweitern, dafz auch die 
Arbeit im Haufe eines Dritten darunter zu verftehen ift, fofern fie nur nicht 
in der Produktionsftätte des Verlegers felbft gefchieht. 
Die beiden angeführten Momente — der Abfatz der Produkte durch den Ver 
leger und die Arbeit im eignen Haufe — fcheinen in der Tat das Wefentliche 
in der Hausinduftrie zu bilden. Sie erklären urfächlich die verfchiedenften 
Merkmale, die man bei der Hausinduftrie hier mehr, dort weniger wahrnimmt 
und die häufig genug mit Wefensmomenten verwechfelt werden, wie z. B. die 
Abhängigkeit vom Verleger, die foziale Lage, die technifche Geringwertigkeit 
ufw. Anderfeits genügen die beiden Momente vollftändig, um die Hausinduftrie 
von den Grenzgebieten, Fabrik und Handwerk, zu unterfcheiden. Wir defi 
nieren demnach die Hausinduftrie oder Heimarbeit als die g e w e r b 1 i c h e 
Tätigkeit, die der Produzent in der eignen Wohnung 
oderWerkftätte oder auch in demHaufe eines Dritten 
für den Unternehmer (Verleger) verrichtet, der die 
Produkte auf den Markt bringt und abfetzt. 3 ) 
Welche Bedeutung in der Hausinduftrie der Abfatz der Produkte durch 
den Unternehmer (Verleger) hat, wird am eheften klar, wenn wir mit Bücher 
von dem früher mehr als jetzt gebräuchlichen Wort „Verlag“ ausgehen. 4 ) Verlag 
ift gleichbedeutend mit Vorlage, Vorfchufz. Der Verleger ift der reiche 
Kaufmann und Kapitalift, der den kleinen Produzenten den Kaufpreis ihrer 
Produkte fo lange vorfchiefzt, bis diefe an ihre Konfumenten gelangt find. 
Häufig aber fchiefzt der Verleger nicht blofz den Kaufpreis der Produkte vor, 
') 0. S chmo! U r, Grundriß der allgemeinen Volkwirtfchaftslehre, Leipzig 
1908, I 3 104 Vgl. auch 481 ff. 
2 ) a. a. 0. 
3 ) Zur Definition der Hausinduftrie vgl. au|zcr Schmoller und Sticda befonders 
K. Bücher, Art. ,, Hausinduftrie“ im Wörterbuch der Volkswirtfchaft 8 , und Art. 
,, Gewerbe* ‘ im Handwörterbuch der Staatswi ffenfehaften 8 ; E. v o n Philippovich, 
Grundrijz der politifchen Ökonomie II 4 , Tübingen 1909, 145 ff; 0. Schönberg, 
Handbuch der politischen Ökonomie II 4 , Tübingen 1897, 488; E. Schwiedland, 
Ziele und Wege einer Heimarbcitergefetzgcbung 2 , Wien 1903, 42; R. L i e f m a n n, 
Über Wefen und Formen des Verlags, Freiburg 1899; W. S o m b a r t, Art. „Verlags- 
mduftrie“ im Handwörterbuch der Staatswiffenfchaften 8 ; R o f c h e r - S t i e d a, 
Nationalökonomie des Gewerbfleifzes und Handels 8 , Stuttgart 1913. 145 ff. 
4 ) K. Bücher, Die Entftchung der Volkswirtfchaft 5 , Tübingen 1906, 175.
	        
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