Bibliothek des Instituts
für Weltwirtschaft Kiel
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großes Heer zwar mit Waffen zu versehen, und finden nicht
die Mittel, dieses Heer auch nur vierzehn Tage auf dem
Marsche zu ernähren! Wir haben seit 1908 in Oesterreich ein
organisches Defizit in unserem Staatshaushalt, das nicht nur
durch die Staatspolitik, sondern indirekt durch die Hochschutz
zollpolitik gefördert wird.
Die auswärtige Politik ruiniert den Außenhandel.
Warum mußte sich der Staatshaushalt so gestalten?
In diesem Kreise hier über unsere auswärtige Politik zu
sprechen und alles das auszusprcchen, was unseren hochweisen
Staatsleu kern gesagt werden muß, ist überflüssig; wir haben
es schon im Parlament und in der Presse tausendmal gesagt.
Ein Sah sagt alles: ManhatOesterreichsStaats-
und Volkswirtschaft ruiniert! Als wir das im
Jahre 1908 anläßlich der Annexionspolitik sagten, als wir
damals warnend sagten, daß uns diese auswärtige Politik
ins Verderben führe, hat man uns hingestellt als Volksver
räter, als Serbenfreunde! Und die patriotische Hurracanaille,
die ihren Aufmarsch nicht so sehr auf der Ringstraße draußen
als im Parlament drinnen vollführt, hat uns Landes
verräter und Hochverräter geschimpft. Aber man kann in
Oesterreich so im Durchschnitt annehmen, daß wenn eine
Wahrheit von Sozialdemokraten ausgesprochen ist, nach vier
oder fünf Jahren schon hie und da ein Bürgerlicher sie be
greift. So sehen wir denn die Tatsache, daß heute die ruinöse
auswärtige Politik erkannt wird auch von Kreisen, von denen
man es früher nicht vorausgesehen hätte. Unsere Indu
striellen haben in Aussig getagt, und da kam es zu einer großen
Ueberraschung. Ein Herrcnhausmitglied, Herr von Ginskeh,
beantragte folgende Resolution:
„Bei dem Abschluß einerPeriode kriegerischer
Ereignisse, welche an Lebensinteressen der Mon
archie rührten, hält sich die österreichische I n d u-
strie für berechtigt, ja aus Gründen der Selbst
erhaltung für verpflichtet, mit allem Ern st e aus-
zusprechen, daß sie die Richtung unserer auSwär»
tigen Politik für verfehlt erachtet. Statt daß die aus
wärtige Politik als Instrument der wirtschaftlichen Expansion ge- -
wirkt hätte, führte sie zu dem geraden Gegenteil, zur Verdrän
gung unseres Handels aus altgewohnten und durch Jahrzehnte
mit Opfern, aber auch mit Erfolg gepflegten Märkten, zum Ver
schwinden politischer F r e u n d s ch a f t e n, vie wir zu unserem
sicheren und wertvollsten Besitzstand gerechnet hatten.
Die österreichische Industrie weiß sehr wohl, daß die Erhaltung
bestehender und die Erwerbung neuer Absatzgebiete ein
Werk ist, das vor allem sie selbst zu besorgen hat,