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Erster Teil. Erster Abschnitt.
sprechen werden, ging man den unbequemen Thatsachen völlig
aus dem Wege. Die unverträglichsten Widersprüche wurden hier
bei anstandslos hingenommen. Auf der einen Zeile hatte Deutsch
land innerhalb eines Jahres drei oder vier Milliarden Mark für
neue Wertpapiere aufgebracht; auf der nächsten Zeile war es un
fähig, hundert Millionen für seine notwendigsten und einträglichsten
Verwendungen zu beschaffen. Ziffern, denen die Unzuverlässigkeit
ohne weiteres anzusehen war, wurden zu den weittragendsten Ur
teilen und Folgerungen benutzt. Welche Thatsachen hinter*jenen
Zahlen steckten, wurde überhaupt nicht untersucht.
Schon die einfache Zergliederung dieses Zahlenmaterials hätte
genügt, um die hierauf gegründeten Schlüsse gegenstandslos zu
machen. Die seitherige Hypothese über den Kapitalmarkt schwebt,
was ihre statistische Grundlage anlangt, vollständig in der Luft,
und die Unhaltbarkeit nachzuweisen, hätte wenig Schwierigkeiten
bereitet. Durch eine in solchen Grenzen gehaltene Widerlegung
wäre indes nichts weiter gewonnen, als dafs die Ziffern, wie sie
gehen und stehen, zur Verwendung für eine neue und vielleicht
nicht bessere Theorie frei gesetzt wären. Meine Arbeit mufste
sich vielmehr bestreben, positive Angaben über den Kapital
markt und über sein Verhältnis zu den angrenzenden Gebieten
unseres Wirtschaftslebens beizubringen.
Der Versuch, durch die Betrachtung des Kapitalmarktes in
die inneren Beziehungen der Volkswirtschaft einzudringen, liegt
der gegenwärtigen Zeit besonders nahe und ist in gröfserem oder
kleinerem Mafsstabe häufig genug unternommen worden. In dieser
Hinsicht konnte .sich unsere Untersuchung, was die Methode an
langt, von den ihr voraufgehenden wertvollen Vorarbeiten nicht
unterscheiden. Für jeden Bearbeiter besteht hier die gleiche Ge
bundenheit hinsichtlich des statistischen Materials. Wir besitzen
auf dem Gebiete des Kapitalmarkts nur allgemeine, undifferenzierte
Summen und keine spezialisierten Einzelziffern. Die Beschaffung
neuen statistischen Materials bildete deshalb den einzigen Weg,
auf dem ich meiner Arbeit eine selbständige Grundlage geben
konnte.
Es fragt sich nun, in welcher Form ein zahlenmäfsig
genaues Bild vom Kapitalmarkt gegeben werden kann. Gemäfs