Full text: Die Regierung im Kampfe gegen die Sozialverischerung

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Länder Niederösterreich, Böhmen, Mähren und Schlesien. Auch das Karstgebiet 
nähert sich wesentlich den industriellen Sudetenländern und nur die Alpenländer 
zeigen auch dann noch ungünstige Verhältnisse auf. Aber die Spannung zwischen 
den einzelnen Ländergebieten wird eine geringere und kann auch durch einfachere 
Mittel, als die der Regierung scheinbar zu Gebote stehenden, überwunden werden. 
Vor allem sucht die Regierung mit der Ungleichheit der Beitragsätze in 
sehr geschickter Weise abschreckend auf die Interessenten zu wirken. Gerade deshalb 
spitzt sie ja auf diese Behauptung die ganze Argumentation zu. Jeder Unbe 
fangene wird in der Ungleichheit der Prämien keine Gefahr zu erblicken ver 
mögen, weil ja bereits gegenwärtig die Krankenkassen und die Unsallvcrsicherungs- 
anstalten in Oesterreich mit ungleichen Prämien arbeiten, ohne daß dadurch irgend 
eine Beeinträchtigung begründeter Interessen bewirkt worden wäre. Es ist auch 
gar nicht sicher, daß alle agrarischen Länder gerade am schlechtesten davonkommen 
würden. Es ist im Gegenteil sicher, daß wenn die Prämiensätze nach dem 
Altersaufbau bestimmt werden, Galizien weit günstiger daran sein wird, als alle 
industriellen Gebiete. 
Aber selbst angenommen, die Regierung hätte so recht, wie sie in Wirklichkeit 
unrecht hat, muß denn zur Vermeidung ungleicher Beitragssätze zum allerradikalsten 
Mittel einer Reichsrentenkasse gegriffen werden, die so schwere Gefahren zweifellos 
bringen muß? Und muß man zu diesem Zwecke die technischen Schwierigkeiten 
in so offensichtlicher Weise übertreiben, daß selbst Unerfahrene diese Uebertreibung 
leicht zu erkennen vermögen? 
In Deutschland, wo die Landflucht ganz andere Dimensionen besitzt, die 
Zahl der Landesvcrsichcrungsanstalten auch verhältnismäßig weit größer ist, als 
sie bei uns sein müßte, wurden diese verwaltungstechnischen Schwierigkeiten so 
weit überwunden, daß sie kaum mehr den Gegenstand einer ernsten Diskussion bilden. 
Bei den Beratungen der Reichsversicherungsordnung standen die Fragen 
einer erweiterten Riskengemeinschaft gegenüber allen anderen Erörterungen ebenso 
im Hintergrund wie die angeblichen Vcrwaltnngsschwierigkcitcn, die durch die 
Fluktuation entstehen. Das ist mohl Beweis genug, daß man dort die Frage 
als erledigt ansieht. Gerade in Oesterreich mit seinen großen sprachlichen und 
kulturellen Differenzen muß man zu einer Reichsanstalt gelangen, während 
Deutschland den einheitlichen Beitrag trotz der Landesanstalten bisher zu erhalten 
wußte, indem man die zwei Mittel anwendete: Aufteilung der Renten nach den 
Beitragszahlungen auf die einzelnen Landcsanstalten und Schaffung der Gemeinlast 
neben der Sonderlast. 
IV. Die BexrrlrssteUen und die Ueemaltnugskosten der 
Soziuluersicheimng. 
Organisation und Aufgaben der B e zirks stellen. 
Das wichtigste Neugebilde von einschneidender Bedeutung ist in der 
Regierungsvorlage die Bezirksstclle. Nach den 88 23 fg. ist in der Regel für 
den Bezirk einer jeden politischen Bezirksbehörde eine Bezirksstelle als Hilfs- 
und Durchführungsorgan der Krankenkassen, der Unfallversicherungsanstaltcn wie 
der Jnvalidenrentcnkasse zu errichten. Diesen Bezirksstellen obliegt die Entgegen 
nahme der Meldungen und Anzeigen, die Einreihung der Versicherten in die 
Lohnklassen, die Vorschreibung und Einziehung der Versicherungsbeiträge und 
deren Abfuhr an die drei Vcrsicherungszweige, die Evidcnzhaltung der Ver 
sicherten, die Vorbereitung der Entscheidungen über Rentenansprüche, die Mit 
wirkung bei Unfallserhebungen, die Erteilung von Auskünften in Angelegen-
	        
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