Full text: Die Regierung im Kampfe gegen die Sozialverischerung

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Ein gleiches Ziel verfolgen auf ähnlichen Wegen die Vorschläge der Re 
gierungsvorlage über die Bcrufsgenoffenschaften der Eisenbahnen und des Berg 
baues. Das „Programm" hat noch die Zuweisung der Bergarbeiter an die 
territorialen Anstallcn in Aussicht genommen und treffende Worte der Begründung 
für diesen Vorschlag gefunden. Der Verein der Montanindustriellen hat aber die 
Schmiegsamkeit des Ministeriums des Innern trefflich zu benützen gewußt. So hat 
sich denn das Blatt gewendet und die Regierung ist nunmehr von der Notwendigkeit 
einer Berufsgcnoffenschaft für die Unfallversicherung im Bergbau fest überzeugt. Auch 
hier soll eine Zweidrittclmajorität der Unternehmer an Stelle der heutigen Zwci- 
drittelmajorität der Arbeiter bei den Bruderladen treten. Der Proporz soll das übrige 
tun, um auch das letzte Drittel den Kreaturen der Unternehmer zuzuwenden. 
Ich kann das Gesagte wie folgt zusammenfassen: Gegenüber dem heutigen 
Zustande auf den: Gebiete der Unfallversicherung war vor allem notwendig, die 
erschreckend hohen Defizite im Wege einer Amortisation durch Beitragszuschläge 
zu beseitigen. Es mußten auch Vorkehrungen getroffen werden, um künftigen Aus 
fällen durch erhöhte Beitragstarife vorzubeugen. Sollten diese Maßnahmen zuver 
lässig durchgeführt werden, und ein sozialpolitischer Geist an Stelle des fiskalischen 
in die Unfallversicherung einkehren, so mußte im Vorstand mindestens die Parität 
zwischen Betriebsinhabern und Versicherten hergestellt und so ein kräftiger Träger der 
sozialpolitischen Ideen geschaffen werden. Von alldem geschieht das strikte Gegenteil. 
Die Zukunft der Unfallversicherung wird sich demnach in Oesterreich sehr trübe 
gestalten. 
VII. Unsere offizielle Verficherurigsmatheinatik. 
Die Feindseligkeit der Regierung gegen die Sozialversicherung. 
Da uns das Deutsche Reich schon vor zwanzig Jahren mit der Einführung 
der Alters- und Invalidenversicherung vorausgegangen ist, war für Oesterreich 
die Einführung dieses Bersicherungszwciges eine verhältnismäßig einfache Sache. 
Man durfte nur die Frage uicht komplizieren und mit unnötigen Schwierigkeiten 
belasten. Hätte man sich vor etwa sechs Jahren damit begnügt, die Einführung 
der Alters- und Invalidenversicherung vorzuschlagen, hiefür eine Anzahl von terri 
torialen Anstalten in Aussicht zu nehmen, den Kreis der Versicherten so zu ziehen, 
wie im Deutschen Reiche, lediglich die Vorschreibung und Einhebung der Prämien 
den Krankenkassen zu übertragen und die Selbstverwaltung bei der Invalidenver 
sicherung auf dem Grundsatz der Parität aufzubauen, dann wäre ein so gearteter 
Gesetzentwurf nach einigen Rückzugsgefechten der Unternehmer im Parlamente 
zweifellos mit großer Mehrheit akzeptiert worden. 
Insbesondere zur Zeit der Einführung des Zolltarifcs, noch sicherer im 
Zeitpunkte, wo die Wirkungen dieses Zolltarifes auf die Bevölkerung sich zuerst 
geltend machten, hätten nur wenige den Mut aufgebracht, die dürftigen Alters 
und Invalidenrenten den Arbeitern ernsthaft zu verweigern. 
Die Weisheit unserer Regierungen hat es anders gewollt. Man mußte ein 
groß angelegtes kodifikatorischcs Werk schaffen. Es mußte eine Vereinheitlichung 
der gesamten Arbciterversichcrung durchgeführt werden. Ein großer Bazar mit 
Organisationsneuheiten sollte sich auftun. 
Im Deutschen Reiche ist man zur Schaffung eines einheitlichen Gesetzcswcrkes 
erst zwanzig Jahre nach Einführung der Invalidenversicherung geschritten und auch 
da hat man das Prunken mit Originalität recht karg zur Anwendung gebracht. 
Gleichzeitig mit der Einführung der Invaliden- und der Vereinheitlichung der 
Arbeitcrversicherung wollte die österreichische Regierung auch die Reform der 
.Krankenversicherung, die Umgestaltung der Unfallversicherung in einem Zuge per 
fektionieren. Dadurch ist eine Reihe von Gegnerschaften ausgelöst worden, die bei
	        
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