Full text: Religion und Wirtschaftsleben

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und sein ander Teil in die Wolken versetzt haben; denn es 
gab Religion, ehe es menschlich gedachte Götter gab. 
Wir haben keine umfassende Darstellung der Religions 
geschichte von den Vätern der ökonomischen Geschichtsauf 
fassung, als aber Dr. Franz Lütgenau sich an diese Auf 
gabe machte, unterschied er zwei sachlich und zeitlich ge 
trennte Stufen der Religion; in der einen ist sie Wider 
spiegelung physikalischer, in der anderen Widerspiegelung 
sozialer Mächte, d. h. „natürliche und soziale Religion""). 
Er schob also vor die religiöse Periode, die Marx — Engels 
deuteten, eine andere, auf die die ökonomische Geschichts 
auffassung nicht anzuwenden sei^). Nun ist es aber eine 
durch nichts gerechtfertigte Behauptung, daß es sich hier 
um zeitlich einander ablösende Erscheinungen handele. 
Für Lütgenau ist es nicht natürliche Religion, sondern 
„künstliche Festhaltung einer einmal natürlich und not 
wendig gewesenen Stufe der Religion", wenn heutzutage 
um Regen gebetet wird; in Wahrheit beruht aber doch die 
Religion auch heute noch teilweise auf der Abhängigkeit 
von der Natur, und diesen Teil der Religion können alle 
soziologischen Auseinandersetzungen der materialistischen 
Geschichtsauffassung nicht erschüttern. 
Ferner ist aus Lütgenau noch eine merkwürdige Tat 
sache zu berichten: obwohl das Buch den Titel „Natürliche 
und soziale Religion" trägt und obwohl in der Einleitung 
diese Teilung ausdrücklich begründet wird, schiebt er doch 
°) „Natürliche und soziale Religion" ist in der offiziellen 
sozialistischen Bibliothek des Verlages Dietz erschienen (1,50 
Mark) und für jeden Theologen sehr lesenswert, mindestens 
als ein Stahlbad für seine apologetische Ausbildung. 
7 ) Die Unterscheidung der natürlichen und sozialen Religion 
hat gelegentlich schon Engels ausgesprochen, der auch einmal 
äußerte, die Religion enthalte noch Bestandteile, die als un 
erklärbarer Blödsinn in waldursprünglicher Zeit entstanden 
und weitergeschleppt würden, nur die Veränderungen des über 
lieferten Stoffes unterlägen dem Gesetz des historischen Ma 
terialismus. Ein Akt der Verzweiflung, der im Grunde das 
ganze Gesetz preisgibt! Beachte auch den Widerspruch mit 
Lütgenaus Behauptung der zeitlichen Trennung beider Stufen!
	        
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