27
meinen wirtschaftlichen Verhältnissen
geboren; religiöse Ideen wirken günstig
ein und helfen ihr, sich durchzusetzen, wo
bei wiederum die wirtschaftliche Be
wegung auf die religiöseJdee und ihre
Verbreitung einwirkt.
Vor allem aber wirkt die Religion günstig auf das
Wirtschaftsleben, weil sie das Gemeinschaftsleben, die Be
dingung des Wirtschaftslebens, befördert. Sie wirkt
daran, „die Bestie im Menschen" zu zähmen. Sie über
windet den persönlichen Egoismus; diese Beschrän
kung ist nötig, weil die Religion häufig den nationalen
Egoismus stärkt, was natürlich ist, da zwischen Religion
und Patriotismus eine innere Verwandtschaft besteht: in
beiden erhebt sich das Individuum über sich und wendet
sich dem Allgemeinen zu. Nun ist es freilich gerade der im
Konkurrenzkämpfe sich zeigende persönliche Egoismus, der
das Wirtschaftsleben vorwärtsbringt, aber wenn er ge
wisse Schranken überschreitet, so wird er zur Gefahr für
das Wirtschaftsleben. Ein Beispiel mag das zeigen:
Wenn z. B. in Amerika vor 400 Jahren oder in Afrika in
unserer Zeit ein fremdes Land erschlossen wird, so kann
der persönliche Egoismus der ersten Farmer und Kaufleute
die sachlichen und persönlichen Kräfte des Landes so aus
beuten, daß die Kolonie wirtschaftlich wertlos wird. Wo
sind nun die Kräfte, die den Menschen von seinem rück
sichtslosen persönlichen Egoismus (in anderen Fällen
z. B. von seiner Rachgier) zurückhalten, wenn keine staat
liche Gewalt ihm Schranken setzt? Da kann und soll die
Religion wirken. Ludwig Stein in seiner „Sozialen
Frage im Licht der Philosophie" hat dafür den Ausdruck,
die Religion stärke die Soziabilität.
Wenn nun also die Religion tatsächlich einen Einfluß
auf das Wirtschaftsleben übt. ist damit die Möglichkeit ge
geben, daß wir von der Religion her das Wirtschaftsleben
unserer Zeit beeinflussen; und wenn das Wirtschaftsleben,
wie ich zuvor gezeigt habe, einen günstigen oder schädlichen
Einfluß auf das religiöse Leben üben kann, so ergibt sich