Das Wesen des wirtschaftlichen Imperialismus.
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akte vom 7. April 1906 von dem dreifachen Grundsätze der Souveränität
und Unabhängigkeit des Scherifen, der Integrität seines Gebietes und
der -wirtschaftlichen Freiheit ohne jede Ungleichheit der
Wettbewerber aus (Strupp, Urkunden 2, 47). So erklärt das deutsch-
französische Marokkoabkommen vom 9. Februar 1909, daß Deutschland
nur wirtschaftliche Interessen in Marokko verfolge und daher in Aner
kennung der politischen Sonderinteressen Frankreichs sie nicht
behindern werde (S t r u p p, Urkunden 2, 67). Noch mehr tritt die
Scheidung der wirtschaftlichen und der politischen Expansion im deutsch-
französischen Abkommen über Marokko vom 4. November 1911 zutage.
Es werden die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands („interets econo-
miques“) den Interessen Frankreichs an der Kontrolle und am Schutz
Marokkos („controle et protection“, S t r u p p, Urkunden 1, Brgänzungs-
heft 13) gegenübergestellt und beide werden wechselseitig anerkannt.
Der wirtschaftliche Imperialismus ist zum Teil ein Ausfluß des
nationalen Ausdehnungsdranges. Es ist sicher, daß die nationale
Idee in der jüngsten Zeit auch zur Betätigung des Volkes auf wirtschaft
lichem Gebiete im Auslande unter Aufsicht und Schutz des Inlandes ge
drängt hat. Es ist andrerseits auch sicher, daß der Nationalismus auf
die Verdrängung der volksfremden Wirtschaftsteile aus dem Staatsgebiete
schon vor dem Weltkriege hingearbeitet hat. Es haben die Angriffe auf
Person und Vermögen der volksfremden Wirtschaftseroberer nicht nur
bei unzivilisierten Völkerschaften, sondern auch in hochentwickelten
Gemeinwesen, wie z. B. in den Burenstaaten, die Völkerrechtswidrigkeit
abgegeben, auf Grund deren dann unter dem Titel der Genugtuung und
Sicherung die wirtschaftliche Vorherrschaft in eine politische Vorherr
schaft umgewandelt wurde. Insbesondere aber ist im Weltkriege die
Umwandlung wirtschaftlicher Gegensätze in politische offenbar
geworden. In Rußland hatte sich bereits vor dem Kriege eine deutsch
feindliche Bewegung auf die wirtschaftliche Expansion der deutschen
Niederlassungen gestützt; sie schuf in der Einschränkung des Grund
besitzerwerbes in den Grenzgebieten sowie in der Sperrung von Berg
baurechten in bestimmten Landesteilen ein Vorbild für den kommenden
Wirtschaftskrieg (v. Vogel, Der Wirtschaftskrieg 2, 1—8). Der fran
zösische Handelsminister Clementel hob es in seiner Begründung der
Pariser Vorschläge von 1916 besonders hervor, daß die freie Verfügung
über die Rohstoffe ein wesentlicher Faktor der wirtschaftlichen
Macht einer Nation sei. „Deutschland gebot über fremdes Erz, welches
es auf seinem Gebiet verarbeitete, z. B. Zink aus Australien, Bauxit aus
der Provence, Asbest aus Rußland oder Schottland. Die Alliierten sind
heute entschlossen, diese für das Leben einer Nation wertvollen Stoffe
den anderen nicht mehr zu überlassen“. Der australische Ministerpräsi
dent Hughes erklärte, daß kein einziges Gramm Zink fürderhin aus