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tretet einseitiger Interessen betrachtete. Alle von ihnen damals fnr
die Aufhebung des Ausfuhrverbots angeführten Gründe waren nicht
imstande, das Bestreben der Regierung und angesehener Volkswirte,,
den Zucker im Jnlande festzuhalten und damit die inländischen
Nahrungsmittelvorräte zu stärken, zu entkräften. Die Gegner der
Ausfuhr machten insbesondere geltend, daß dem Feinde kein Zucker
zugeführt werden dürfe, jede Ausfuhr nach neutralen Ländern lasse
aber befürchten, daß dieser Zucker, unmittelbar oder in Raffinade
umgearbeitet, aus dem neutralen Lande den Weg zur Versorgung
feindlicher Mächte finden könnte. Dem Feinde aber solle kein Lot
deutschen Zuckers zugute kommen. Dieser zweite Gesichtspunkt führte
zu lebhaften Auseinandersetzungen, in denen darauf hingewiesen
wurde, daß Österreich-Ungarn kein Zuckerausfuhrverbot gleichzeitig
erlassen habe. Die dortigen Vorräte sind, da ein Ausfuhrverbot
dafür erst im Februar 1915 erging, durch Lieferung nach dem Ans
lande weitgehend vermindert worden. — Trotz allem hielt die deutsche
Regierung das Ausfuhrverbot aufrecht und genehmigte Ausnahmen
davon nur in sehr beschränktem Umfange und nur da, wo eine nähere
Prüfung aller Umstände eine Schädigung der deutschen Kriegs- oder
Wirtschaftsinteresseu nicht befürchten ließ. Die Lage der Zucker-
industrie und der rübenbauenden Landwirtschaft spitzte sich jedoch
rasch immer mehr zu. Infolge der großen Bestände, zu denen die
neue Erzeugung hinzutrat, und der geringen Nachfrage nach Zucker
sanken die Rohzuckerpreise imiuer weiter. Eine Beleihung des
Zuckers und dadurch die Beschaffung der für die Zahlung an die
Rübenbauer notwendigen Mittel war bei den ständig wechselnden
Preisen, im Osten vielerorts auch wegen der drohenden Gefahr feind
licher Besetzung, nicht möglich. In dieser Lage entschloß sich die Re
gierung Ende Oktober 1914 zu einer gesetzlichen Regelung des Ver
kehrs mit Zucker, burcs; die der Anfang einer st a a t l i ch e n
Bewirtschaftung gemacht war.
5. Die Ursachen der Zuckerknappheit seit dem zweiten
Kriegsjahre.
Bei der Regelung des Zuckerverkehrs im Oktober 1914 war
der Preis für den sperrfreien Zucker nur auf 9,50 Mark, d. h. um
über eine Mark niedriger festgelegt, als der Durchschnittspreis in
den letzten zehn Friedensjahren betragen hatte. Während anfänglich
der gesperrte Zucker kaum unterzubringen war, brachte schon von
Ende Dezember ab die immer größer werdende Knappheit an Futter
mitteln einen Umschlag. Die Nachfrage nach Zucker für Viehstall