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aufgehoben, so daß es bei den Friedensverhandlungen unter Zugrundelegung der
factifch vorhandenen Verhältnisse besonderer Vereinbarungen über den Abschluß
eines ganz neuen und hoffentlich total verbesserten Handelsvertrags bedarf.
Die Araßregeln der französischen Regierungen — und zwar ebenso der
kaiserlichen, wie der gegenwärtig republikanischen Landesvertheidignng — haben
sich in den letzten Monaten dadurch ausgezeichnet, daß sie in der Regel das
Gegentheil von Dem erreichten, was sie beabsichtigten. Hätte man von fran
zösischer Seite nicht mit allzugroßer Sicherheit auf einen glücklichen Ansgang
des frevelhaft begonnenen Waffenspiels gerechnet, wahrscheinlich würde man
sich gehütet haben, den Handelsvertrag in so bombastischer Weise zu kündigen,
da, Dank der bewundernswerthen Führung und der unvergleichlichen Tapferkeit
der deutschen Heere, der Zollverein gegenwärtig in der glücklichen Lage ist, seine
handelspolitischen Interessen besser in den Vordergrund zu stellen, als dies in
den Jahren 1862 bis 64 der Fall gewesen sein mag. Ohne daß wir das Bei
spiel Napoleons I., der sich den besiegten Nationen gegenüber bis zu den Ab-
normitäten der Continentalsperre verirrte, nachzuahmen brauchen, ohne daß
wir uns ferner Englands Verhalten zum Muster nehmen wollen, das zu wieder
holten Malen Kriege mit fremden Völkerschaften nur zu dem Zwecke geführt hat,
um seine Handelsinteressen in der selbstsüchtigsten Weise zu fördern, sind wir
gegenwärtig in der Lage, ein gewichtigeres Wort als je zuvor für unsere handels
politischen und wirthschaftlichen Fragen einzulegen und dem französischen Schutz
zöllnerthum, das jederzeit Hand in Hand mit dein Chauvinismus gegangen ist,
seine exorbitanten Forderungen zu versagen. Wenn bei anderen Friedens
schlüssen, bei denen überhaupt die Handelsbeziehungen zur Frage kamen, der
Sieger dem Besiegten den Frieden dictirt hat, wobei gar nicht erörtert wurde,
ob jene Bestiinmungen den wirthschaftlichen Ruin des unterworfenen Volkes
zur Folge hatten, so sind wir weit entfernt, etwas Dein Aehnliches nur wünschen
zu wollen. Was nach unserer Ansicht einzig und allein anzustreben ist, beruht
nur in einer Vereinfachung und Ermäßigung des französischen Tarifs, mit
anderen Worten, in dem weiteren Ausbau der handelsfreiheitlichen Bestrebungen,
welche Kaiser Napoleon III mit dem Abschlüsse des englisch - französischen
Handelsvertrags unter Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften selbst ein
geschlagen hat, und in der Verfolgung des Zieles, das in dem Tarife des deut
schen Zollvereins bereits in weit entschiedenerer Weise Geltung erlangt hat. —
Trotz gegenteiliger schutzzöllnerischer Bestrebungen war schon vor dem Kriege
in Frankreich eine starke Freihandelsparthei vorhanden, welche erkannte, daß die
Prohibitionen und die hohen Sätze des französischen Zolltarifs nur einer ver-
hältnißmäßig kleinen Anzahl von Industrie- und Handelsfirmen zu Gute
kamen, während die weitaus größere Menge der Consumenten sich jener Vor
theile durchaus nicht erfreut. Mag auch zur Zeit nicht übersehen werden können,
ob unter der gegenwärtigen Stimmung ein freisinniger Zolltarif allseitig sogleich
das rechte Verständniß finden werde, so dürfte doch ein energisches Festhalten
dieser deutschen Forderung früher oder später auch von den Franzosen in der