Full text: Russlands Kultur und Volkswirtschaft

keine augenblicklichen Zahlungsansprüche entsprechen — das Kapital liefernde 
Land kommt damit vielmehr selbst seinen Verpflichtungen gegen Rußland 
nach; wohl aber erwachsen dem Kapitalistenlande dauernde Zins- und Ge 
winnansprüche, auch Rückzahlungsforderungen, und die heißt es denn aus 
der Warenausfuhr ganz regelmäßig zu begleichen. Für eine starke „Aktivität“ 
der Handelsbilanz, d. h. ein starkes Überwiegen der Ausfuhrwerte über die 
Einfuhr, zu sorgen, ist von der Zahlungsbilanz her, eben von der Notwendig 
keit, über die Bezahlung der Einfuhr hinaus Deckungsmittel im Auslande zur 
Verfügung zu haben, eine dringende Notwendigkeit der russischen Wirtschafts 
politik. Auf eines der wirksamsten Mittel, die Ausfuhr automatisch dem 
Zahlungsbedarf anzupassen — die unterwertige Währung — hat das Zaren 
reich schon sehr früh, vielleicht zu früh, im Interesse der Heranziehung inter 
nationaler Kapitalien verzichtet. Die Steuerschraube, die jetzt den wichtigsten 
Hebel zur Erzwingung starker Exporte abgibt, kann nicht beliebig angezogen 
werden; im Gegenteil, Rußland hat sich in den letzten J ahren, wie auch schon 
früher, wiederholt gezwungen gesehen, seiner Landbevölkerung starke Steuer 
nachlässe zu bewilligen und schließlich den drückendsten Teil der Abgaben, 
die Ablösungsbeträge, ganz niederzuschlagen. Da scheint es leichter, auf die 
Einfuhr durch Auflegung starker Zölle ermäßigend zu wirken, zumal wenn 
diese Einfuhr stark aus Konsumtibüien, nicht aus Produktionsmitteln besteht, 
die auch im Rande selbst, wenn auch teurer, gewonnen werden könnenÜ Das 
Hochschutzzollsystem Rußlands findet hier seine Begründung. Wieder ist 
die Neigung gering, in der Handhabung der Zölle sich auf lange Zeiten hinaus 
zu binden, während man doch die internationalen Kapitalbewegungen nicht 
auf so lange zu überschauen vermag. 
Dem Wunsche Rußlands, am autonomen Schutzzoll festzuhalten, steht 
nun aber das Interesse der Industrieexportländer schnurgerade entgegen. 
Industrielle Fabrikate sind, verglichen mit den Lebensmitteln, fast sämtlich 
Güter geringerer Lebensnotwendigkeit und zu sehr großem Teil sogar Luxus 
güter. Infolgedessen hängt der Umfang ihres Konsums, wie schon von den 
Preisen der Waren dringendsten Bedarfs, so erst recht von den eigenen Preisen 
jeweils ab: das Einkommen der großen Masse der Bevölkerung kann nur be 
stimmte Teile dafür frei halten und zwingt bei jeder Preissteigerung um so mehr 
zur Verbrauchsbeschränkung, als es selbst von den Preisbewegungen dieser 
Art Güter kaum in der eigenen Bewegung bestimmt zu werden pflegt; Preis 
steigerungen bei den Lebensnotwendigkeiten, nicht aber bei den Entbehrlich 
keiten, üben regelmäßig eine Rückwirkung auf die Lohnhöhe aus. Demgemäß 
müssen die Lieferanten der Fabrikate, ganz anders als die Lebensmittelprodu 
zenten, sehr großes Gewicht darauf legen, das Preisniveau in ihren Absatz 
gebieten nicht durch Zölle beliebig in die Höhe geschraubt zu sehen. Und erst 
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