62
Aberglauben. Manches Almosen, das der Börsenmann verteilt,
ist ihm gewissermaßen das Opfer, das der Glückliche den Göttern
bringen muß, um sie nicht allzu neidisch zu machen. Dieser Aber
glaube erklärt sich auch aus dem Börsemnilieu. Ohne die Existenz
des Börsenmannes und des Spielers mit einem Maße messen wollen,
muß man doch zugeben, daß beiden Existenzen zweifellos manches
gemeinsam ist. Beider Schicksal hängt von etwas in hohem Maße
Angewissem ab, von Dingen, die mit aller Klugheit der Welt nicht
zu meistern sind. Ein Spieler kann noch so gewandt, noch so ge
schickt, noch so klug sein, er kann in der Psychologie seiner Mit
spieler Übermenschliches leisten, wenn das Glück ihm die Karten
versagt, so wird er wohl manches Pech in seiner Folge herab
mindern können, aber den schließlichen Verlust vermag er nicht ab
zulenken. Etwas ähnliches ist es auch mit dem Schicksal des Börsen
mannes. Seine Kombinationen mögen noch so vorsichtig, noch so
klug vorausberechnet sein, der Zusammenbruch eines Spekulanten
an irgend einem Platz der Welt, ein Wölkchen, das am politischen
Pimmel aufsteigt, die Macht der Elemente — Wasser, Feuer, Erd
beben — sie sind in der Lage, aus dem hoffnungsfreudigen, ver
mögensreichen Mann über Nacht einen gebrochenen Bettelmann zu
machen. Diese ständige Aussicht aus den jähen Wechsel des Schicksals,
die. auch eine der Pauptursachen der Börsenneurasthenie ist, wirkt
besonders stark auf ihn dahin ein, die Sucht groß zu ziehen,
das Geschehen des morgigen Tages im voraus zu ergründen. And
das ist der Anfang allen Aberglaubens. Dieses Schicksal teilt der
Börsenmann nicht nur mit dem Spieler, er teilt es mit allen den
jenigen Menschen, die auf außergewöhnlichen Wegen Erfolge zu
erringen streben. Wenn Napoleon, vor der Schlacht durch die
Straßen einer Stadt reitend, die Fenster der Straßen zählte, wenn
Emile Zola dieselbe Aufmerksamkeit den Gaslaternen der pariser
Straßen angedeihen ließ, um Erfolg oder Mißerfolg seines Lebens
werkes vorauszuwissen, wenn der Zägersmann daraus achtet, ob
ihm eine alte Frau, ein pase oder eine Katze über den Weg läuft,
so ist das alles der Ausfluß dieses Verlangens nach Aufklärung des