Full text: Die Börse

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V. Der Börsenwitz. 
Auch diejenigen Leute, die die Börse nicht leiden können, lieben 
ihre Witze. Unser Bärsenwitz ist so populär, daß'die Andeutung 
eines Anekdotenerzählers, daß er jetzt einen Börsenwitz erzählen 
wolle, schon genügt, um die Aufmerksamkeit der Hörer gespannter 
zu machen. In der breiten Volksmasse entsteht dadurch die An 
schauung, daß den Börsenleuten ständig sehr wohl sein muß, weil 
man das Witzemachen meist als ein Geschäft der Tagediebe und 
der Satten betrachtet, namentlich in den: Lande, wo die Freude am 
Wort- und Gedankenspiel im allgemeinen so wenig entwickelt ist. 
Hier in Deutschland aber erklären sich Entstehung und Lharakter 
des Börsenwitzes im wesentlichen doch schon aus den Grundlinien 
des Börsenlebens, die ich im vorigen Aapitel entwickelt habe. Der 
Börsenmann ist gezwungen, drei Stunden des Tages im Börsensaal 
zuzubringen, weil er ja alle Aursschwankungen genau verfolgen 
muß und weil besonders wichtige Ereignisse ganz plötzlich eintreten 
können. Unter Umständen kann das Verlassen des Börsensaales 
selbst um ein Viertelstündchen für den Spekulanten von sehr ver 
hängnisvoller Wirkung sein, denn das Sprichwort: „Unverhofft 
kommt oft" gilt natürlich auch an der Börse, und dort sogar in 
viel höheren: Maße, so daß sehr leicht der Börseninann, der ein 
mal ein Viertelstündchen ins Tafe, über die Straße herüber ge 
gangen ist, bei seiner Rückkehr in den Börsensaal sich plötzlich ganz 
veränderten Situationen gegenübersehen kann. An der Börse hat man 
dafür das schöne Wort geprägt: Es wird nicht abgeläutet. Das soll 
heißen, es wird nicht vorher gesagt, daß jetzt plötzlich ein Tendenz-
	        
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