mächtigen Staat auf autonomer Grundlage umge
stalten wollte.
Es mag sein, daß mancher Leser ironisch lächelt:
„Sich in Böhmen zum König krönen lassen . . . Was
würde dies bedeuten, wenn dadurch nur Oesterreich
gestärkt werden sollte?“ Ich bitte den lächelnden
Leser sich womöglich alles, was seit dem Jahre 1918
geschehen ist, aus dem Sinne zu schlagen und sich un
sere Lage vor dem Kriege zu vergegenwärtigen. Da
mals wäre das, was Erzherzog Franz Ferdinand in
der erwähnten Richtung plante, von unserem Volke
mit Freude, wer weiß ob nicht mit Jubel begrüßt wor
den. Das eine ist sicher, daß die Gesinnungen dieses
Erzherzogs für unser Volk und seine Absichten für die
Zukunft Böhmens keineswegs so geartet waren, daß
die befreite Nation irgendwie berechtigt wäre, seine
Kinder zur Strafe zu Bettlern zu machen. Wurde es
ihnen, deren Oheim und Vormund ein früherer tsche
chischer Abgeordneter ist, doch nicht einmal gestattet,
sich aus dem Schlosse Konopischt, ihrem Erbe, zur
Erinnerung an die Eltern auch nur die geringste
Kleinigkeit, auch nur eine einzige Photographie mit
zunehmen !
Weiter oben konnte der Leser einer kurzen Er
wähnung der Korrespondenz des Kronprinzen Rudolf
mit Moritz Szeps begegnen. Es ist lohnend, für einen
Augenblick die beiden Thronerben der franzisko-jose-
finischen Zeit nebeneinanderzustellen. Beide starben
eines gewaltsamen Todes: der erste auf einem nächt
lichen Ausfluge mit einer fremden Frau; der zweite
als Repräsentant der Dynastie und des Reiches als
Opfer für deren begangene und nichtbegangene Ver
schuldungen.
So unähnlich ihr Tod war, so gänzlich entgegen
gesetzt waren auch ihre Weltanschauungen, politi
schen Grundsätze und Charaktere, ihre Liebe und ihr
Haß, welch beide sie nicht selten in einseitiger und
ungerechter Weise übermächtig werden ließen. Der
erstere haßte Rußland, der zweite hätte 'in ihm und
dem Zarentum am liebsten einen Verbündeten ge
wonnen. Der erstere liebte und bewunderte die Magy
aren, der zweite haßte sie aus ganzer Seele. Der er-