Full text: Das Alkoholverbot in den Vereinigten Staaten von Amerika und seine Folgen

milien der sogenannten Neuenglandstaaten noch heute verkörpert 
findet, war, wie jeder Betonung der Lebensfreude, auch dem Alko 
holgenuß abhold. Sodann bekämpften verschiedene religiöse Sekten, 
wie die Baptisten, Methodisten und die Heilsarmee, die über alle 
Gebiete der Vereinigten Staaten verbreitet sind, den Alkohol in der 
Überzeugung, daß er die seelische Erhebung und Läuterung der 
Menschen hindere, die niederen menschlichen Triebe wecke bzw. 
verstärke und den Sinn von überirdischen Dingen abwende. Auch 
die größeren Konfessionen, die evangelische und katholische Kirche, 
die in den Vereinigten Staaten zwar keine bevorrechtete Stellung 
gegenüber den Sekten einnehmen, aber durch die Zahl ihrer Mit 
glieder überwiegende Bedeutung haben, waren auf Grund der Er 
fahrung, daß der Kirchenbesuch und die Heilighaltung der Sonntage 
unter dem unbeschränkten Ausschank und Genuß alkoholischer Ge 
tränke leide, dem Prohibitionismus zugeneigt. 
Noch wichtiger für den Sieg des Prohibitionsgedankens als 
diese ethischen Momente waren nach dem vorliegenden Material 
solche innerpolitischer Natur. Das politische Leben in der Union 
findet seine Hauptnahrung und Hauptbetätigung gelegentlich der 
überaus zahlreichen Wahlen zu den gesetzgebenden Körperschaften 
des Landes und der Einzelstaaten, den Schulgesellschaften und 
öffentlichen Ämtern. Bei diesen Wahlen bedienten sich die großen 
politischen Parteien zur Empfehlung und Durchbringung ihrer 
Kandidaten vorzugsweise der öffentlichen Schankstätten (saloons). 
Diese, die schon Präsident Koosevelt die schädlichsten Elemente in 
dem sozialen, politischen und geschäftlichen Leben des Landes 
genannt hatte, waren gewissermaßen die Klubs der Arbeiter sowie 
der minderbemittelten männlichen Bevölkerung überhaupt und dienten 
in hervorragendem Maße dem Stimmenfang. Auf diese Weise sollen 
ungeeignete Lokalgrößen zu Amt und Würden gelangt sein, während 
unabhängige bedeutende Persönlichkeiten sich von Bewerbungen, die 
von vornherein aussichtslos waren, fernhalten ließen. Das hat viele 
gebildete und urteilsfähige Männer, die in dem verderblichen Treiben 
der „saloons“ einen Krebsschaden des politischen Lebens und den 
Ausgangspunkt für die Unzufriedenheit mit den herrschenden Zu 
ständen erblickten, und diesen Tatsachen die Hauptschuld an der 
Verflachung des Niveaus der Politik beimaßen, dazu bestimmt, sich 
den Alkoholgegnern anzuschließen. Hierzu kam, daß die verheirateten 
Frauen den „saloon“, in dem nur Männer zu verkehren pflegten, als 
gefährliche Zusammenkunftsstätte, ja als den Zerstörer der häuslichen 
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