Full text: Das Alkoholverbot in den Vereinigten Staaten von Amerika und seine Folgen

Von unmittelbarer Bedeutung war ferner die Stellungnahme der 
Amerikanischen Medizinischen Gesellschaft, die im Jahre 1917 im 
69. Band ihrer Zeitschrift auf Seite 226 in dem Bericht ihres Aus 
schusses für Gesundheit und öffentlichen Unterricht folgende Erklärung 
bekannt gab: „Weil wir glauben, daß der Gebrauch von Alkohol als 
Getränk die Tätigkeit der menschlichen Organe (human economy) 
schädigt, und weil der Gebrauch von Alkohol in der Heilkunde als 
ein die Gewebsspannung erhöhendes Mittel (tonic), als Reiz- (stimulant) 
oder Nährmittel nicht auf wissenschaftlicher Basis beruht, so be 
schließt die Amerikanische Medizinische Gesellschaft, Alkohol als 
Getränk und als Heilmittel abzulehnen.“ *) 
Schließlich haben auch Gründe sozialer und volkshygienischer 
Natur der Prohibitionsbewegung zum Siege verhelfen. Den Wander 
predigern der Sekten bot die im Lande weitverbreitete Trunksucht 
mit ihren für das Familienleben vernichtenden Folgen willkommenen 
Anlaß, gegen die Gefahren des Alkohols zu Felde zu ziehen. Unter 
stützt wurden sie in diesem Kampfe außer von den Frauen — 
von diesen namentlich seit sie im August 1920 durch den 19. Ver 
fassungszusatz überall das Stimmrecht erlangt hatten — von den 
zur Wahrung der öffentlichen Ordnung und zur Förderung des Volks 
wohls berufenen Behörden und Personen, die mehr als jeder andere 
Gelegenheit hatten, die eigenartigen Trinksitten ihres Landes und 
deren Begleiterscheinungen kennen zu lernen. So neigt z. B. im 
Gegensatz zu dem das Bier bevorzugenden Deutschen der Amerikaner 
zu hochprozentigen alkoholischen Getränken wie Whisky und Brandy. 
Da er diese nicht nach deutscher Art sondern glasweise auf einen 
Zug zu sich zu nehmen pflegt und die Unsitte des gegenseitigen 
Traktierens schließlich dem Einzelnen mehr Alkohol zuführt, als er 
vielleicht zu trinken beabsichtigte, ist es verständlich, daß die Zahl 
der auf den Straßen und in den Schankstätten im Zustande der 
Trunkenheit betroffenen Personen die öffentliche Trunkenheit be 
sonders groß erscheinen ließ. Für die vorgenannten Stellen lag 
deshalb hinreichender Grund vor, auch ihrerseits die Bestrebungen 
der Alkoholgegner zu unterstützen. 
0 In dieser Anschauung der Gesellschaft scheint indes mittlerweile 
eine Wandlung eingetreten zu sein, da nach einem amtlichen Bericht auf 
dem im Mai 1922 tagenden Kongreß der Gesellschaft darauf hingewiesen 
wurde, daß Alkohol für medizinische Zwecke unentbehrlich wäre, und es 
zu dem Beschluß kam, die Bundesregierung zu ersuchen, selbst den An- 
und Verkauf von Alkohol zu übernehmen und ihn in versiegelten Flaschen 
den Ärzten zur Verfügung zu stellen.
	        
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