Full text: Die Entwicklung der deutschen Stahlindustrie mit besonderer Berücksichtigung der Martinstahlerzeugung und der Bedeutung des Schrottes für dieselbe

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Beim Puddelverfabren kann die Umwandlung von 
Roheisen in schmiedbares Eisen nur unter Mitwirkung von 
atmosphärischer Luft erfolgen. Henry Bessemer kam nun 
im Jahre 1854 auf den Gedanken, diese Einwirkung der 
Luft dadurch erheblich kräftiger zu gestalten, daß er 
letztere nicht auf das geschmolzene Eisen sondern durch 
die flüssige Metallmasse blies. Nach manchen vergeblichen 
Versuchen erzielte er auch aus dem Roheisen ein stahl 
artiges brauchbares Produkt; es gelang ihm jedoch erst 
1862 die öffentliche Meinung derart umzustimmen, daß der 
Bessemerprozeß dem Puddelprozeß ebenbürtig an die Seite 
gestellt wurde. 
Der unschätzbare Wert dieses neuen Prozesses lag 
hauptsächlich darin, daß auf einfache Weise und mit 
verhältnismäßig geringen Kosten Eisen und Stahl als Mas 
senprodukt hergestellt wurde. Während in einem Puddel 
ofen in 24 Stunden etwa 3000 bis 4000 kg Eisen erzeugt 
werden können, liefert der zum Bessemern dienende Apparat 
in der gleichen Zeit wohl das Zweihundertfache an Stahl. 
Ein weiterer Vorteil des Windfrischens, wie man das Bes 
semerverfahren auch nennt, ist der, daß es kein beson 
deres Brennmaterial erfordert, denn die in das geschmol 
zene Roheisen hineingeblasene Luft, bezw. deren Sauer 
stoff, bewirkt eine so rasche Verbrennung der zu entfernen 
den Bestandteile des Roheisens, daß die dadurch erzeugte 
Wärme groß genug ist, um das gereinigte Metall längere 
Zeit flüssig zu erhalten. Ein dritter, nicht zu unterschätzen 
der Vorteil besteht endlich darin, daß die schwere Hand 
arbeit, die einen Hauptfaktor des Puddelverfahrens bildet, 
hier ganz wegfällt, sodaß man hinsichtlich der Güte des 
Endproduktes nicht mehr von der Geschicklichkeit des ein 
zelnen Arbeiters abhängig ist. 
In Deutschland wurde das erste Bessemerwerk im 
Jahre 1862 von der Firma Krupp in Betrieb gesetzt. Doch
	        
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