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hartnäckiger Widerstand zu überwinden, den der doktrinäre Glaube an den
alleinseligmachenden Privatbetrieb, gestützt und geschult durch eine sehr
greifbare Jnterefsenpolitik beteiligter Kreise und gestärkt durch die Furcht
vor den Verantwortlichkeiten gegenüber einer wachsenden Zahl von An
gestellten und Arbeitern, allen betreffenden Anträgen der Sozialdemokraten
entgegensetzte. Gerade um die Zeit, als die ersten Sozialdemokraten ins
Stadtparlament einrückten, wurde die bedeutungsvolle Frage der Elektrizitäts-
vcrsorgung in den Städten aktuell. Weitblickende Kommunalpolitiker konnten
und mußten sich sagen, daß der Elektrizitätsbedarf sich im Laufe der Zeit
im gleichen Maße verallgemeinern werde, tvie der Bedarf an Gas und
Wasser, und es daher geboten sei, im Interesse der Konsumenten, der
Stadtfinanzen und des gebrauchten Personals diesen Znternehmungszweig
von vornherein der Ausbeutung durch die Privatspekulation zu entziehen.
Die sozialdemokratischen Vertreter können es sich zum Verdienst anrechnen,
in dieser Sache zur rechten Zeit das rechte Wort gesagt zu haben. Beim
ersten Vertrag, den im Jahre 1884 die Stadt mit dem damals sich noch
Deutsche Edison - Gesellschaft nennenden Unternehmen, aus dem die
Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft hervorgegangen ist, und der Gesellschaft
Berliner Elektrizitätswerke abschloß, warnten sie davor, die Interessen der
Gemeinde für ein Linsengericht selbst nur zeitweise an eine Kapitalisten-
gesellschast zu veräußern, da der erste Schritt in diesen Dingen stets für
die Folge die Freiheit der Entschließung beenge, und der weitere Verlauf
der Elekttizitätsversorgung Berlins hat gezeigt, wie berechtigt diese Warnung
war. Immer mehr ist die Stadt in das Netz der Berliner Elektrizitäts
werke geraten, die mit der geschäftsschlauen, zu einer Kapitalmacht ersten
Ranges herangewachsenen Allgemeinen Elektrizitätsgesellschast in so enger
Verbindung stehen, daß sie faftisch nur eine Filiale dieser bilden. Die
einfache Tatsache, daß sic seit Jahren auf ihr jetzt 100 Millionen betragendes
Kapital 11 bis 12 Prozent Dividende zahlen, zeigt, welche Summen der
Stadt durch den damals abgeschlossenen und in der Zwischenzeit erweiterten
und erneuerten Vertrag entgangen sind. Angesichts der lauten Sprache
der Tatsachen ist die Gegnerschaft gegen die von der Sozialdemokratie
immer wieder erhobene Forderung der Übernahme der Elektrizitäswerke
in städtischen Eigenbetrieb sehr zusammengeschmolzen, es wird aber doch
der größten Anstrengungen noch bedürfen, um ihr bei Ablauf des jetzigen
Vertrages zum Siege zu verhelfen.
Schneller als in der Frage der Elektrizitätsversorgung hat die von den
Sozialdemokraten verfochtene Kommunalpolitik in der Frage der Straßen
bahnen Berlins recht behalten. Auch hier stießen sie mit der Forderung des
Eigenbetriebs zuerst . auf taube Ohren. Aber das wachsende Einnahme
bedürfnis auf der einen Seite und der ünwille weiter Kreise des bürger
lichen Publikums über die von der Staatsregierung unterstützte Monopol
herrschast der Großen Berliner Straßenbahngesellschast auf der andern
Seite haben dahin geführt, daß sich in der Stadtverordnetenversammlung
schließlich doch eine Mehrheit für den Bau und Bettieb von Straßen
bahnen durch die Stadt gefunden hat und die Rechte der Gemeinde gegen
über der Straßenbahngesellschaft schärfer geltend gemacht werden als früher.
Das Zustandekommen des Verkehrsverbandes von Berlin mit den Vororts-
gemeindcn, der den Zweck hat, das Ausspielen von Gemeinde gegen Ge-