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um die Jahreswende 1893/94, wo der Kommission 84 gewerkschaftliche Organi
sationen angehörten, mit den Stimmen von 72 Organisationen gegen 4 ab
lehnende Organisationen und 8 Enthaltungen beschlossen, und Anfang 1894
tritt das Berliner Gewerkschastsbureau ins Leben, das von Anfang
an die wesentlichen Aufgaben eines Arbeitersekretariats — Erteilung von
Auskunft an Arbeiter über Fragen des Arbeiterrechts — mit übernimmt. Der
erste Sekretär ist der Goldarbeiter Permann Faber, dem ein überwachender
Ausschuß der Kommission zur Seite stand, und das erste Bureau ist ein
bescheidenes Zimmer, Nosenstraße 28,1. Von nun ab haben wir Berichte
in Broschürenform, die erst noch halbjährlich, von 1897 aber als Jahresberichte
erscheinen und, mit kurzer Unterbrechung, von Jahr zu Jahr inhaltsreicher
ausfallen. Erst vom Jahre 1902 ab finden wir in diesen Berichten den
Namen „Arbeiter-Sekretariat Berlin", aber der Sache nach hatte
das Gewerkschaftsbureau lange vorher schon sich vollständig zu einem solchen
Institut ausgebildet. Es hatte mit der erwähnten Unterbrechung, die durch den
Wechsel in der Person des Sekretärs verursacht war, in seinen Berichten alle
diejenigen Informationen gegeben, die anderwärts die Sekretariate ver
öffentlichten. Schon der Bericht für das zweite Halbjahr 1894 enthält
eine Gewerkschafts- und Arbeitsmarkt-Statistik, die zwar noch etwas urwüchsig
aussieht, aber doch nicht ohne Wert ist. Von jenem Jahre ab erst haben
wir einen Anhaltspunkt für die Entwicklung der Gesamtzahl der gewerk
schaftlich organisierten Arbeiter Berlins. Für frühere Jahre ist diese Zahl
nicht mehr zu ermitteln, weil bei einer Anzahl von Fachvereinen ein
archivarisches Interesse noch gar nicht vorhanden war, die damaligen Ab
rechnungen lückenhaft und oft undatiert sind. Sogar über die Tätigkeit und
das Finanzwesen der Gewerkschaftskommission selbst ist für die Zeit bis zum
Jahre 1894 nur sehr lückenhaftes Material vorhanden.
Wie es um die Gewerkschaftsbewegung Berlins in der ersten Hälfte
der neunziger Jahre vielfach noch bestellt war, ersieht man aus einer Be
merkung im Bericht der Gewerkschaftskommission für das zweite Halbjahr
1894. Dieser Bericht bringt die erste Gewerkschaftsstatistik Berlins,
und im Kommentar dazu bemerkt er zur Begründung der Mängel der
Statistik, daß sich etliche Gewerkschaften der Mitwirkung an der Statistik wider
setzt hätten, „weil das Anternehmertum aus der Kenntnis der Stärke der Ge
werkschaften allein nur Vorteil ziehen könnte". Eine Motivierung, der man
überall dort, aber auch nur dort begegnet, ivo die Gewerkschaften noch
schwach an Mitgliedern und Finanzen sind. In der Tat weist die Statistik
denn auch für die 84 Gewerkschaften, von denen sie berichtet, nur 38 432
Mitglieder (37 022 männliche und 1410 weibliche Mitglieder) nach. Wenn
dabei nun auch diejenigen Vereine, die keine Angaben machten, unberücksichtigt
geblieben sind, so waren das doch eben Verbindungen, die entweder nur
mit unbedeutenden Zahlen aufwarten konnten oder zumeist mehr berufliche
Hilfsvereine als Gewerkschaften waren. Wir tun viel, wenn wir für die
wirkliche Gewerkschaftsbewegung die Zahl um insgesamt 5400 erhöhen und
so für Ende 1894 42 000 gewerkschaftlich organisierte Arbeiter in Berlin
ansehen, neben etwa 1800 organisierten Arbeiterinnen. Es ist aber zu
bemerken, daß das Jahr 1894 den Anfang der Erholung von mehreren
Jahren sehr schlechten Geschäftsganges bildet, unter dessen Wirkung ver
schiedene Gewerkschaften in den Jahren 1892 und 1893 stark an Mit-