Unfallversicherungsanstalen in ihrem Gutachten mehr, um die Klarstellung der Verssicherungspflicht der
hervorheben, der Direktor einer großen Fabrik, dessen häuslichen Gewerbetätigkeit in dem Programm zu
Gehalt in die Zehntausende geht oder der als Volontär fordern.
zum Zwecke seiner Ausbildung im industriellen Be-
triebe beschäftiate Millionärssohn erfrent. Die Verhältnisse der Hausindusitrie und der
Heimarbeit stehen schon ein Jahrzehnt in Diskussion,
Mag man auch der Ansicht sein, daß der Spar- es wurden darüber Enqueten abgehalten und um-
sinn und das ökonomische Selbstbestimmungsrecht fangreiche Erhebungen durchgeführt. Es geht also
durch die Einbeziehung selbständig erwerbender Per- nicht an, diese Frage in pejus zu reformieren. Eine
sonen in die Versicherung eingeschläfert werden Verschlechterung wäre aber das im Programm vor-
könnte, die Tatsache bleibt, daß die meisten kleinen gesehene Auskunftsmittel, daß heute nach einer nuu-
Bauern und Kleingewerbetreibenden die Versicherung mehr schon als feststehend zu betrachtenden Judikatur
viel notwendiger hätten als die industriellen Arbeiter, des Verwaltungsgerichtshofes die Heimarbeiter in
sonst könnte wohl auch nicht ernstlich die Frage auf- dem weitesten Sinne dieses Begriffes kranken- und
gerollt werden, ob man diesen Klassen eine jährliche unfallversicherungspflichtig sind, wogegen Alinea 3
Beitragslast ven 30 bis 45 K für die Zwecke der des § 3 des geltenden Krankenversicherungsgessetzes
Kranken- und Invaliditätsversorgung auflasten könne den Hausindustriellen die Möglichkeit der freiwilligen
oder nicht. Versicherung bietet, eine Bestimmung, von der meines
Wissens bislang kein nennenswerter Gebrauch gemacht
Diese Frage gehört übrigens, da das zu begut- wurde und auch kaum gemacht werden wird, wenn sie
achtende Programm nur die Arbeiterversicherung auch wortwörtlich in das Alinea 6 des § 35 Reform-
zum Gegenstande hat, nicht hierher, wiewohl auch die programm übernommen wurde.
Kleingewerbetreibenden und kleinen Bauern Arbeiter
im strengen Sinne des Wortes sind; der Exkurs ist Nach der im Jahre 1902 durchgeführten
aber zu entschuldigen, da gerade § 2 des Programmes Betriebszählung haben sich 357.019 Betriebe mit
Gedanken darüber anregt, wie verwischt oft die 463.564 tätigen Personen hausindustriell beschäftigt,
Grenzen zwischen dem selbständigen Gewerbetreibenden diese Zahlen und deren Aufteilung auf einzelne
und dem unselbständige Arbeitern sind. Gewerbekategorien beweisen, daß die Heimarbeit für
viele Industriezweige, namentlich für CExportindu-
Heimarbeiter, Hausindustrielle. Indem strien ein Bedürfnis ist. Überdies ist sie von hohem
das Reformprogramm die eigene Betriebsstätte als volkswirtschaftlichen Werte, weil sie dem kleinsten
Kriterium des selbständigen Arbeiters annimmt und üwergbesitzer die Möglichkeit bietet, jene Summe ins
im § 9 das Ministerium des Innern ermächtigt, durch Verdienen zu bringen, die er über den Ertrag seines
Verordnungen die Versicherung gewisser Kategorien Feldes oder sseiner sonstigen Beschäftigung hinaus
der in „eigenen Arbeitsstätten“, als welche übrigens benötigt, um sein Leben zu fristen. Durch die ver»
auch die von besonders schlauen Unternehmern zum schiedenen Enqueten ist hinlänglich bewiesen, daß sich
Scheine vermieteten oder verpachteten Werkstätten die zu Hause gewerblich beschäftigten Personen in
gelten könnten, eventuell auch unselbständig erwerben- einer so schlechten materiellen Situation bcfinden, daß
den Personen zu regeln, wird über die Versicherungs- sie der Versicherung mehr bedürfen als der indu-
pflicht der Heimarbeiter abgesprochen. Begründet wird strielle Arbeiter. Die Versicherungspflicht der Heim-
dies damit, daß die große Verschiedenheit der hier in arbeiter ist demnach vollkommen begründet und sie ist
Betracht kommenden Lokale, sozialen und sonstigen auch im Interesse der Industrie gelegen, weil in vielen
Verhältnisse eine einigermaßen einheitliche Regelung Branchen die Gefahr einer auf der übermäßigen Aus-
der Versicherung dieser Personen im Gesetzgebungs- nütnng der Heimarbeit basierenden Schmutkonkurrenz
wege beinahe undenkbar erscheinen läßt. Der jüngst besteht.
erschienene Referentenentwurf des Gesetzes, betreffend
die Regelung der Arbeitsverhältnisse in der Heim- Das im vorstehenden Gesagte trifft allerdings
arbeit der Kleider-, Wäsche und Schuhwarenkonfektion auch in höherem oder minderem Grade auf die
schwächt zwar diese Behauptung wieder ab, denn er sogenannte Hausindustrie zu. Deren Versicherung kann
unterwirft die in diesen Gewerben beschäftigten Heim- aber leider insolange nicht gefordert werden, als die
arbeiter der Krankenversicherung und überläßt der Kleingewerbetreibenden der obligatorischen Versi-
Verordnungsgewalt die näheren Vorschriften über die erung nicht unterliegen, denn viele dieser klein-
Durchführung dieser Versicherung, über die Fest- gewerblichen Betriebe stehen, wenn man ihre Tätigkeit
stellung des Begriffes Arbeitgeber und die Aus- genauer betrachtet, zu dem industriellen Großbetriebe
dehnung der gesetzlichen Vorschriften aus die Stück- in keinem anderen Verhältnisse als die Hausindustrie,
arbeiter. Daß dieser Geseßzentwurf deutlich die Marke wenn der Gewerbsinhaber auch das Gewerbe gesetzlich
der „Rettung des Kleingewerbes.“ trägt ist eim Grund angemeldet hat und Erwerbsteuer bezahlt.