Full text: Verhandlungen des Industrierates über den Ausbau und die Reform der Arbeiterversicherung

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beirates wird das aber gewiß möglich sein. Als erfahren, denn die ganze Reform müßte scheitern, 
Grundsatz möchte ich aufstellen, daß nur jene Per- wenn es dem agrarischen Einflusse gelänge, die Be- 
sonen von der Versicherungspflicht befreit sein sollten, deckung der Staatsbeiträge für die Invalidenrente 
die nur im Nebenerwerbe, das heißt, neben ihrer und Verwaltungsauslagen in einer Steuer zu finden, 
eigenen Landwirtschaft Dienste leisten und deren die Induslrie, Gewerbe und Arbeiterschaft allein 
nächste Anverwandte, wie Geschwister und Kinder treffen würde. 
oder Eltern. Dadurch würde nach den Berechnungen Eine besoudere Beeinflussung der übrigen, ins- 
des Experten Herrn Professors Fiedler der Kreis der hesondere aber die Krankenversicherung betreffenden 
versicherungspflichtigen Personen „auf zirka drei- bis Berechnungen scheint nicht zu erwarten zu sein, denn 
dreieinhalb Millionen herabgedrückt, immerhin eine nach den Äußerungen der Experten und den Erfah- 
Zahl, die die Ansätze des Regierungsprogramms um rungen ist die Gefahr der Erkrankung keine größere 
anderthalb Millionen Personen übersteigen würde. und der Eintritt der Invalidität bei den landwirt- 
Es erübrigt zu untersuchen, inwieweit dadurch schaftlichen Arbeitern kein früherer als bei den übrigen. 
die Berechnungsgrundlage des Regierungsprogrammes Im Gegenteil scheint die Annahme gerechtfertigt, daß 
erschüttert wird. Dies wird in erster Linie dadurch in ersterer Linie der Gesundheitszustand infolge der 
eintreten, daß sich die als Staatszuschuß für die Beschäftigung in freier Luft ein besserer sei, in Bezug 
Invalidenrenten ausgeworfenen Beträge, pro Rente auf die Invalidität aber ebenfalls günstige Verhält- 
90 K, wesentlich und zwar um ein Drittel nisse vorliegen, die sich nicht nur aus dem besseren 
steigern würden; das wäre ein Mehrerfordernis, das Gesundheitszustande, sondern auch aus der primitiven 
nach den Hahlen des Reformprogramms (Seite 204) Art der Verwendung des Individuums erklären lassen. 
bereits im fünften Jahre der Versicherung 700.000 K, Dieser Umstand dürfte übrigens dem bei Beratung der 
im zehnten Jahre 6 Millionen, im zwanzigsten Jahre Materie im Arbeitsbeirate von der Regierung ge- 
11 Millionen Kronen, im dreißigsten Jahre 12’8 und machten Einwande des ungünstigeren Altersaufbaues 
im Beharrungszustande 18’6 Millionen Kronen das Gleichgewicht halten. Lettere Erwägung dürfte 
betragen würde. Allerdings muß diesen auf Grund- wohl auch in Bezug auf die Unfallversicherung zu be- 
lage der Äußerungen der landwirtschaftlichen Experten rücksichtigen sein, indem insbesondere hinsichtlich der 
angestellten Berechnungen jene der Regierung gegen- Einschäßung der verminderten Erwerbsfähigkeit von 
überstehen. Darnach handelte es sich um die Einbe- landwirtschastlichen Arbeitern ein ganz anderer Maß- 
ziehung von etwa 6 Millionen Menschen, wodurch stab wird angenommen werden müssen als bei indu- 
der vom Staate zu tragende Rentenanteil im Behar- striellen Arbeitern. Es ist doch gewiß der Verlust der 
rungszustande der Invalidenversicherung sich von Sehkraft eines Auges, eines Fingers ec. für den land- 
41 Millionen Kronen auf 59 Millionen Kronen wirtschaftlichen Arbeiter viel weniger berufsstörend als 
erhöhen würde. für den industriellen. Vergleiche die Erfahrungen der 
Diesen Ziffern ist entgegenzuhalteu, daß schon Unfallversicherungsanstalten bei den Fuhrwerks- 
in der Enquete die wenn auch durch nichts bewiesene betrieben. . 
Behauptung aufgestellt wurde, daß der relativ hohe Alle diese Ausführungen ziehen förmlich von 
Staatsbeitrag bei den Agrariern den Wunsch wach- selbst die Organisationsfrage heran. In diesem Be- 
gerufen hat, auch ihre Arbeiter an demselben parti- lange ist bezüglich der Invalidenversicherung nichts 
zipieren zu lassen, damit diese aus allgemeinen su sagen. 
Steuergeldern fließenden Staatsmitteln nicht der Von weit größerem Einflusse als auf diese, ist 
industriellen Arbeiterschaft allein zu gute käme. Ein jedoch die Einbeziehung in die Krankenversicherung, 
Körnchen Wahrheit mag hinter dieser Behauptung wobei zunächst die Frage zu lösen sein wird, ob die 
immerhin stecken und sie kann als Fingerzeig gelten, land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter als ,, Teil- 
daß es sich aus Opportunitätsgründen empfehlen versicherte“" im Sinne des Reformprogrammes auf- 
wird, mit Rücksicht auf die parlamentarische Behand- zufassen sein werden. Im Motivenberichte (Seite 130) 
lung der Vorlage der Einbeziehung der landwirt- wird die Institution der Teilversicherung damit be- 
schaftlichen Arbeiter näherzutreten. Hweifellos gründet, daß die Dienstboten zumeist in der Haus- 
hätten die Agrarier neben der Partizipierung an dem gemeinschaft des Dienstgebers verbleiben, somit jener 
Staatszuschuß auch noch den Gewinn, daß durch die besonderen Beihilfe, welche das Krankengeld bietet, in 
Ausdehnung der Versicherung auf ihre Arbeiter die der Regel nicht bedürfen. Die Teilverssicherung hat 
Armenfürsorge bedeutend entlastet wird, daß also an bekanntlich zur Folge, daß nach § 27 das Krankengeld 
die Mittel der Gemeinden und Länder aus diesem in Wegfall kommt und nach § 140 der Arbeitgeber 
Titel bedeutend geringere Forderungen herantreten während der Dauer des Heilverfahrens jene Unter- 
werden, was sich wieder in der Bemessung der Um- stützuungen zu gewähren hat, auf welche der Kranke als 
lagen und Zuschläge aussprechen müßte. Dadurch kann Vollversicherter Anspruch hätte. Hier käme also in erster 
vielleicht auch die Bedeckungsfrage, über die noch sehr Linie eine etwa notwendige Spitalsverpflegung mit 
wenig gesprochen wurde,. eine ersprießliche Klärung der Unterstützung der Angehörigen (8§ 29) in Betracht.
	        
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