Diese Zahlen zeigen klar und deutlich, daß die deutsche Land-
wirtschaft trotz ihrer hervorragenden Leistungsfähigkeit nicht in der Lage
ist, den Fleischbedarf allein zu decken. Ganz besonders ungünstig stellt
sich das Ergebnis für die minderbemittelte Bevölkerung, für welche sich
die hohen Fleischpreise ja auch ganz besonders fühlbar machen.
Die Richtigkeit dieser Feststellungen hat auch die Regierung in
dankenswerter Weise bereits veranlaßt, besondere Maßnahmen zur Linde-
rung der Fleischteuerung zu treffen. Die Städte sind aufgefordert
worden, Notstandsmaßnahmen zu ergreifen, und führen auch eine ganze
Anzahl Stadtverwaltungen Fleisch in frischgeschlachtetem Zustande vom
näherliegenden Auslande ein, wofür seitens der Regierung noch eine Er-
mäßigung des Einfuhrzolles von 35 Mk. auf 18 Mk. pro 100 kg, in
Gestalt von Zoll-Rückvergütungen, zugestanden worden ist. Ferner hat
der hohe Eiweißgehalt des Kaninchenfleisches noch dazu Veranlassung
gegeben, die Hebung der Kaninchenzucht zu empfehlen.
Die Einfuhr aus Dänemark, Schweden, Rußland und Holland ist bei
weitem nicht in der Lage, den Bedarf zu decken. Es sind Anzeichen
dafür vorhanden, daß die Fleischpreise, welche momentan durch die
Einfuhr aus den eben genannten Ländern etwas gesunken sind, im
Frühjahr wieder bedeutend in die Höhe gehen. Die Nachfrage nach
Fleisch ist auch in diesen Ländern im Verhältnis zu ihrer Viehproduktion
eine zu große. In letzter Zeit ist vom Landwirtschaftsminister ein Gesuch
der Stadt Karlsruhe, russisches Schweinefleisch einführen zu dürfen, mit
der Begründung abgelehnt worden, daß zu befürchten sei, daß das Fleisch
in Rußland zu teuer wird, wenn auch noch der westliche Teil Deutschlands
ebenso wie der östliche Teil, welchem die Einfuhr gestattet ist, russisches
Schweinefleisch einführt. Verschiedene Städte, z. B. Berlin, Köln usw.
decken den Rindfleischbedarf momentan auch bereits aus Rußland, und
bleibt nur zu wünschen und zu hoffen, daß dort die Grenze für die
Ausfuhr von Fleisch einstweilen wegen etwa zu hoch ansteigender Preise
nicht gesperrt wird.
2. Die Fleischversorgung von England.
Auch in England bestand eine Kalamität in der Fleischversorgung,
bevor man sich dort entschlossen hatte, überseeisches Fleisch einzuführen.
Es sei gleich vorweg gesagt, daß die Viehzucht in den Vereinigten König-
reichen von Großbritannien und Irland, welche 46 °%, des Gesamtbedarfes
einführen, durch die überseeische Fleischeinfuhr durchaus nicht be-
einträchtigt worden ist, sondern daß im Gegenteil nur der Fleischkonsum
gestiegen ist. Welch’ große Bedeutung die Einfuhr von Fleisch in England
gewonnen hat, dessen Bevölkerungszahl mit der von Preußen ungefähr zu
vergleichen ist, zeigt Fig. 5, in welcher der Jahresimport von gefrorenem
und gekühltem Rindfleisch, gefrorenem Hammel und Lamm für die Jahre
1892 bis 1911 graphisch dargestellt ist. An gekühltem Rindfleisch wurden
im Jahre 1911 z. B. 2255470 Rinderviertel eingeführt, davon kamen aus
Argentinien, welches erst mit der Ausfuhr von gekühltem Fleisch im Jahre
KR