ZWEITER TEIL: DIE HAUPTWIRTSCHAFTS-
ZWEIGE UND IHRE PHYSIOLOGIE
Ist die Abhängigkeit der Wirtschaft von den natürlichen Gegebenheiten
des Landes das wichtigste der Wirtschaftsgeographie allein eigene Unter-
suchungsgebiet, so ergibt sich fast zwangsläufig als leitender Gesichtspunkt
für die Gruppierung des Stoffes die Verknüpfung von Landschaft und Wirt-
schaft. Die Naturlandschaft, in ihrer vegetativen Ausstattung eine Funktion
des Klimas, bildet den Ausgangspunkt. Sie ist der Lebensraum des ersten
von Süden her einwandernden Menschen. Wald, Seen und Flüsse mit
ihrem Reichtum an Wild und Fischen sind die Grundlagen seiner primitiven
rein okkupatorischen Wirtschaft, der Jagd und des Fischfangs. Das
sind die ursprünglichen Wirtschaftsformen in der ganzen Zone des subark-
tischen Waldes. Sie sind unmittelbar mit der Natur verknüpft, und ihre
Wirkung auf das Bild der Landschaft ist verschwindend. Eine höhere
Stufe stellt schon der Renntiernomadismus der Lappen dar, eine Wirt-
schaftsform, die mit Jagd und Fischfang verknüpft, aber doch noch völlig
der Naturlandschaft angepaßt ist. Erst wo der Mensch sich nicht mit dem
begnügt, was die Natur ihm bietet, wo er auf höherer Kulturstufe Pflanzen
anbaut und Haustiere hält, die beide anderen Klimazonen entstammen,
da erst ist er gezwungen, die Landschaft umzugestalten. Daß der Jäger
oder der Fischer von sich aus in diesen Klimagebieten den Pflugbau zu ent-
wickeln vermöchte, ist völlig undenkbar. Ganz langsam in dauernder Um-
wandlung der Form und in Verbindung mit nur allmählich vor sich gehender
Akklimatisation von Anbaupflanze und Tier dringt eine im Süden ent-
wickelte Wirtschaftsform gegen Norden vor: der Ackerbau und die Vieh-
zucht. Diese neuen, als fremde Elemente im Waldland auftretenden
Wirtschaftsformen sind allerdings denselben Abhängigkeiten unterworfen
wie der Wald selbst, der vor ihnen weichen muß. Wie dieser sich in seiner
verschiedenen Zusammensetzung, in den Wuchsformen seiner einzelnen
Elemente an das Klima und an die Verteilung der Böden anpassen mußte,
so ist auch die Landwirtschaft bis in alle Einzelheiten von ihnen abhängig.
Sie setzen ihrer Ausbreitung bestimmte Grenzen, einen Rahmen, den sie
nur durch Weiterbildung ihrer Methoden bis zu einem gewissen Grad zu
dehnen vermag. So bildet sich allmählich im Kampf mit dem Wald der
Naturlandschaft eine Gleichgewichtslage aus. Dem Walde bleiben be-
stimmte Reservate erhalten. War es die Landnot im Süden, die den Acker-
bauer nordwärts trieb, so sind es wieder Einflüsse des kontinentalen dicht-
besiedelten Südens, sein immer wachsender Holzbedarf, der den Wert der
noch großen nördlichen Waldreservate steigen läßt. Derselbe Wald, der