Full text: Der Arbeitslohn

VII. Kritische Nachlese. 
Mir bleibt noch eine literarische Pflicht zu erfüllen. Paul 
Arndt hat mir die Ehre erwiesen, in seinem soeben zitierten Buch 
„Lohngesetz und Lohntarif“ mich anzugreifen. Da das mit durch- 
aus ritterlichen Waffen geschehen ist, fühle ich mich veranlaßt, zu 
antworten, wobei ich mich bemühen werde, ebenso suavis in modo 
und fortis in re zu sein, wie mein verehrter Herr Fakultäts- 
kollege. 
Über den allgemeinen Inhalt der Schrift ist hier nicht zu 
handeln. Es muß anerkannt werden, daß sie mit erfreulicher 
Kenntnis der einschlägigen Literatur verfaßt ist; der Verfasser macht 
unter den zeitgenössischen Autoren keine schlechte Figur. Immerhin 
hätte er es sich überlegen sollen, ehe er Karl Marx bescheinigte, 
er sei „kein Mann der Wissenschaft, sondern ein Mann der Tat“ 
gewesen (S. 107). Man soll doch nicht unnötigerweise Vergleiche 
herausfordern. 
Was nun die Theorie anlangt, so ist Arndt von seinem 
Meister Dietzel in jeder Beziehung derartig abhängig, daß mit 
dessen Kritik auch die seine im wesentlichen abgetan ist. Es ist 
ihm das Unglück geschehen, jedes Wort des mit Recht von ihm 
verehrten Theoretikers!) für der Weisheit letzten Schluß zu 
halten. 
Er hat (S. 20) die falsche Definition des Wirtschaftsmenschen, die 
Dietzel von Mill übernommen hat, als eines Menschen, der „nur 
von dem wirtschaftlichen Motiv bestimmt wird“. Nun gibt es ein 
solches wirtschaftliches Motiv überhaupt nicht in dem Sinne, wie 
Dietzel das Wort braucht. Die Lehre von der wirtschaftlichen 
Bedürfnisbefriedigung ist nicht die Lehre von der Befriedigung 
des wirtschaftlichen Bedürfnisses, sondern von der Befriedigung 
von Bedürfnissen auf wirtschaftliche Weise. Wo ein finales, 
das heißt auf einen Sättigungszustand hinstrebendes Bedürfnis 
nur durch die Verfügung über ein kostendes Objekt befriedigt 
werden kann, auf das sich daher das Begehren richtet, da wirkt 
der modale, nicht auf ein Sättigungsziel, sondern auf eine be- 
stimmte Verfahrungsweise hinstrebende wirtschaftliche Trieb 
des kleinsten Mittels. 
1) Er nennt ihn (S. 118) den hervorragendsten Vertreter der ‚klassischen‘ Rich- 
tung der Nationalökonomie in der Gegenwart, 
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