Full text: Der geistige Arbeiter in der gegenwärtigen Gesellschaft und Geschichtsepoche

wie er mit denselben auskomme, da lacht er. Er lacht, weil 
diese jungen Verwaltungsbeamten, denen zeitweilig das Ver- 
einsgeseß und das Versammlungsgesetz zu handhaben über- 
tragen wird, sich ihm gegenüber immer blamierten: Erwar im- 
mer der besssere Jurist. Warum? Weil er als erfahrener Laie 
in diesem Spezialgebiet eingearbeitet ist, der Jurist aber mag 
ein ausgezeichneter Kenner des römischen Rechts sein, er mag 
ganze Kapitel der Digesten gelesen haben, er mag unter Um- 
ständen auch die Rechtsphilossophie und die Rechtssystematik 
beherrschen, aber er kann nicht auf allen Gebieten des Rechts 
zugleich Spezialist sein. Weil man ihm aber im Amt nach- 
einander alle Spezialgebiete auf einige Wochen zuteilt, damit 
er möglichst das Ganze kennen lerne – was er doch nie er- 
reicht ~ so wird er nie so vollkommen wie der Laienspezialist 
in seinen Spezialparagraphen. Daraus ergibt sich wieder ein 
interessantes Paradoxon: Die Summe der Rechtskenntnisse 
der Laien zusammen genommen ist größer als die Summe der 
Rechtskenntnisse der Juristen. Das ist eine Erscheinung, die 
noch nicht auf allen Gebieten genau durchdacht ist, ist auch 
gewiß ein Paradoxon, das übertreibt, es ist nicht wörtlich wahr, 
aber es ist ein gutes Stück Wahrheit dahinter. 
h) Die Vergeistigung der manuellen Arbeit. 
Dieser Entwicklung tritt nun eine andere gegenüber, die aber- 
mals den geistigen Arbeiter außerordentlich beeinträchtigt hat, 
und die im Gegensatz steht zur Mechanisierung der geistigen 
Funktionen. Die geistigen Funktionen des Rechnens sind me- 
chanisiert worden durch die Rechenmaschine usw. Aber es ist 
noch anderes geschehen, was noch viel schlimmer für die geisti- 
gen Arbeiter wurde, nämlich die mechanische Arbeit ist ver- 
geistigt worden. Was verstand man vordem in der Regel 
unter einem Arbeiter? Einen Muskelarbeiter, welcher mit der 
Muskelkraft Materien bewegt, vor zwei Menschenaltern ver- 
schmähte noch der Handwerksgeselle, Arbeiter genannt zu wer- 
den. Aber die Maschine hat die Materie zu bewegen auf sich 
genommen. Und was hat der Arbeiter dabei zu tun? Er hat 
die Maschine zu leiten und ein hohes Maß von Aufmerksamkeit 
auf sie zu verwenden. Der Weber, der vordem am Webstuhl 
saß, hatte Aufmerksamkeit auf den Faden und den ganzen 
Arbeitsprozeß des einen Stuhles zu verwenden und zugleich 
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