Full text: Der geistige Arbeiter in der gegenwärtigen Gesellschaft und Geschichtsepoche

Fall ist, im Gegenteil, die Tüchtigen stehen alle an zweiter 
und dritter Stelle und können zur ersten nicht kommen, weil 
der Kapitalismus sich sagt: Wissen und Können, das kauft 
man auf dem Markt und bezahlt man mit Lohn, allenfalls 
mit Beteiligung; die Spitzenstellungen erfordern nicht Wissen 
und nicht Können, sie erfordern „V ertrauen‘’. Darum blei- 
ben die Spitzenstellen der Banken Minderbegabten vorbehalten, 
die kraft ihrer Familienbeziehungen oder ihres Charakters das 
persönliche Vertrauen der Großaktionäre haben, und dieselassen 
die Arbeit von anderen Köpfen machen, die ihnen weit über- 
legen sind. Das ist aber auch überall dort so, wo eine Industrie 
verwaltet wird vom Erben, nicht mehr von dem Begründer 
und Unternehmer. Der Erbe genießt nur die Vertrauensstellung 
der Familie, er ist aber in der Regel nicht auch Erbe des Ta- 
lents, und das Geschäft wirklich führen muß der angestellte 
Intellektuelle. Das bedeutet aber, da die Unternehmungen meist 
Assoziationen sind, Aktiengesellschaften und dergleichen, daß die 
Spitze der Pyramide dem geistigen Arbeiter in dieser seiner 
Qualität überhaupt nicht mehr zugänglich ist, sondern nur dem 
Vertrauensmann des Kapitals, der dorthin berufen wird, nicht 
so sehr wegen seiner Tüchtigkeit als Arbeiter, sondern nur & 
wie sagt man? —~ wegen der Treue und wegen der Ehre! 
k) Die geistige Arbeiterschaft als Klasse. 
Das zeigt uns, daß diese ganze soziale Gruppe in ihrer inneren 
Struktur, in ihrer ökonomischen Grundlage, in ihrer gesellschaft- 
lichen Stellung eine Einheit geworden ist, die sich auch in der 
Theorie zu begreifen anfängt, selbstbewußt zu werden anfängt, die 
eine einheitliche Ideologie entwickelt, mit einem Wort: aus einer 
sozialen Schicht ist eine eigene Klasse geworden! Denn alles 
Angeführte läßt sich als Klasssenmerkmal bezeichnen. Die In- 
tellektuellen von früher waren keine Klasse, sondern 
ein spezifischer Einschlag aller Klassen. Das ist freilich noch 
in einem gewissen Maße der Fall. Es gibt Intellektuelle in allen 
Klassen, aber die Zahl klassenfremder Intellektueller wird stän- 
dig geringer. Heute sind die Intellektuellen in ihrer großen 
Mehrzahl eine eigene selbständige Klasse, deren Nachwuchs 
sich in der Regel aus sich selber ergänzt. Immerhin bleiben 
sie eine Klasse mit widerspruchsvoller Existenz: nämlich alle 
29
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.