Full text: Amerikareise deutscher Gewerkschaftsführer

Die zeitliche Entwicklung der Bevölkerungszifter in Deutschland 
und in den Vereinigten Staaten zeigt das unterschiedliche Tempo 
in der Summierung menschlicher Wirtschaftskraft, das beide 
Staaten eingeschlagen haben. Wenn wir wenige Generationen 
zurückgehen, so sehen wir die Vereinigten Staaten als ein dünn 
besiedeltes Kolonialgebiet, das sich nicht einmal mit den grösseren 
Einzelstaaten zu messen vermochte, die 1871 im Deutschen Reich 
zusammengefasst wurden. Aber kurz nach 1870 trafen sich die 
beiden Bevölkerungsziffern. Seither ist die der Vereinigten Staaten 
stürmisch in die Grösse ihres Landes hineingewachsen, ohne dass 
man heute von einem Aufhören dieser Entwicklung sprechen 
könnte, während dieBevölkerung Deutschlands, soweit sie imLande 
blieb, wesentlich langsamer wuchs und durch das Diktat von Ver- 
sailles einen Abstrich erlebte, der seither erst zu einem Teil wieder 
durch weiteren Bevölkerungszuwachs ausgeglichen ist. Der Druck 
der deutschen Bevölkerung nach aussen, aus Deutschland hinaus, 
ist ständig auffallend stark. 
Wie steht es nun mit der wirtschaftlichen Aktionskraft der Ver- 
einigten Staaten, wie hoch ist ihr Anteil an der Roheisen-, Rohstahl- 
und Steinkohlenerzeugung ? 
Die Roheisen- und Rohstahlerzeugung der Welt in den Jahren 
1913 und 1925 zeigt das Bild 5. 
Der Anteil Amerikas — der gleichbedeutend mit dem Anteil der 
Vereinigten Staaten ist — an der Welterzeugung in Roheisen und 
Rohstahl ist überragend. Gegenüber Frankreich und England 
zeigen die deutschen Ziffern ein verhältnismässig günstiges Bild. 
Deutschland hat Elsass-Lothringen und Oberschlesien, für eine 
Reihe Jahre das Saargebiet und den wirtschaftlichen Einfluss auf 
Luxemburg verloren. Wenn man die Vorkriegsproduktionsziffern 
dieser Gebiete für 1913 abzieht und so mit der Produktionsleistung 
des verkleinerten Deutschlands von 1925 vergleicht, ergibt sich, 
dass im besonderen unsere Stahlproduktion im Jahre 1925 grösser 
war als 1913. Die Roheisenproduktion ist etwas zurückgeblieben. 
Die Deutschland abgenommenen, obenerwähnten Teile seiner 
Roheisen- und Rohstahlproduktion sind, wie die Statistik ausweist, 
Frankreich nicht in vollem Ausmass zugute gekommen. Es hat 
eine Zersplitterung stattgefunden. Sie ist überdies mit einer 
Standortsverschiebung in der Beziehung von Erz zu Kohle parallel 
gegangen. Deutschlands Eisen- und Stahlerzeugung basiert heute 
im wesentlichen auf anderen Erzauellen als vor dem Kriege, weil 
die Ansprüche an die Erzaualitäten sich zugleich mit der zu- 
nehmenden Stahlerzeugung grundlegend verändert haben. 
Englands Roheisen- und Rohstahlerzeugung hat sich gegenüber 
demVorkriegszustand ganz wesentlich verringert. Seinen Grund hat 
das mit darin, dass einzelne Konsumländer, im besonderen auch 
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