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Der Vorsitzende, Geheimrat Erman:
Die schweren, weittragenden Verhandlungen, die heute den
Reichstag in vielen Stunden bewegen, haben viele unserer
einflußreichsten Freunde ferngehalten. Wer es doch möglich ge-
macht hat, noch nach einem solchen Tage zu kommen, ist un-
seres besonderen Dankes gewiß. Auch der Herr Reichstags-
präsident hat sein Erscheinen zugesagt — ist er anwesend? ~
Nein? – Dann war es ihm nicht möglich, zu kommen.
Wir geben nun den Vertretern der einzelnen Parteien das
Wort, und zwar nach dem Alphabet:
1.
Reichsminister a. D. Koch: (Deutsche demokratische Partei):
Hochverehrter Jubilar!
Ohne hochzeitlich Gewand, mitten aus der wichtigen Tagung
des Reichstages über die außenpolitische Zukunft unseres deut-
schen Reiches, komme ich hierher, um im Namen der Deutschen
demokratischen Partei Ihnen unsern herzlichsten Glückwünsch
auszusprechen, im Namen der Partei, mit der Sie durch mannig-
fache persönliche und sachliche Beziehungen verbunden sind. Es
kann nicht meine Aufgabe sein, hier an dieser überparteilichen
Stelle die parteipolitischen Zusammenhänge zwischen Boden-
reform und Demokratie zu schildern. Ich bin aber ja in der
glücklichen Lage, auch persönlich freundschaftlich zu Ihnen zu
stehen. Unsere Beziehungen sind mehr als 25 Jahre alt. Ich
war damals Bürgermeister einer deutschen Industriestadt, aus-
gerüstet für diesen Posten wesentlich nur mit juristischem Wissen,
das ich schon deswegen nicht zu verachten bitte, weil seine
Grundlagen durch unsern verehrten zweiten Präsidenten, Geh.-
Rat Erman, gelegt worden sind, wenn dieser sich dessen gewiß
auch nicht mehr erinnern wird. Ausgerüstet ferner mit keinem
anderen volkswirtschaftlichen Wissen als ein kurzes Seminar
bei Brentano vermitteln konnte. Da kamen Sie, Herr Dr.
Damaschke, nach Delmenhorst + Sie waren mir jungem Manne
damals an Alter und Reife weit überlegen, und ich bin er-
staunt, trop allem Nachrechnen fesststellen zu müssen, das auch
Sie erst 34 Jahre alt warey - und nicht nur ihr Vortrag,
sondern auch die Besichtiqung, die wir miteinander in der Stadt
vornehmen konnten, wurde für mich ein Erlebnis. Ich habe
damals die eigene Stadt eigentlich zum ersten Male wirtschaft-
lich, bautechnisch und bodenreformerisch sehen gelernt. Es war
eine Stadt, in wenigen Jahren gewachsen von einer Einwohner-
zahl von 3000 auf 16 000, wild gewachsen. Ueberall, an kleinen
Privat- und Genossenschaftswesen, auf ganz billigem Geesst-
k