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Freilich nicht Kampfeslust hat Sie aus der Stille des Amtes
auf das Katheder eines nPraeceptor germaniae“ getrieben, son-
dern, und darin schlägt das Herz der Kirche auf das lebhafteste
mit dem JIhyrigen zusammen, der unwiderstehliche Drang, zu
helfen und zu retten, zu heilen und zu lindern jene große Not,
die wie eine ewige Wunde am deutschen Volkskörper zehrt
und das Markt feiner Kraft verbraucht: die Wohnungsnot. -
Wenn die Kirche einen Mann feiert, gedenkt sie seines
Werkes. Die Zusammenhänge swischen der Arbeit der evan-
gelischen Kirche und der Bodenreform sind heute schon mehr-
fach gestreift worden. Ich kann es mir deshalb verssagen,
näher darauf einzugehen. Der theologische Doktorhut ist das
neueste Zeichen dieses Zusammenhanges. Sie selbst haben die
biblische Grundlage der Bodenreform gezeigt, und viele Ihrer
Freunde haben nach den lieben gelben Heften der „Bodenreform“
diesen Faden weitergesponnen. Nur eins: als der erste deutsche
evangelische Kirchentag im vorigen Jahre in Bethel tagte, war
es die Erinnerung an die Bodenreform und an die Heimstätten-
bewegung, die wie ein Funke durch die ganze Versammlung
zuckte, und die nachher auch zum Ausdruck kam in der sozialen
Botschaft der evangelischen Kirchen, unserem Arbeitsprogramm.
Dann die erste Tat dieses Arbeitsprogramms vor wenigen
Monaten: der Kampfaufruf an die Gemeinden wider die Woh-
nungsnot. In dem heißen Ringen um die Faniilie, besonders
um unsere Jugend, um Reinhaltung, Gesittung unseres Volks-
lebens, kämpft die Kirche Schulter an Schulter mit Ihnen, und
in dieser Kampfgenossenschaft drücke ich Ihnen mit herzlichem
Glückwünsche die Hand, dankbar rückwärtsschauend, frohgemut
in die Zukunft blickend.
Wir wissen, daß die Hindernisse dazu da sind, daß Liebe
aus ihnen Funken schlägt. Wenn Wunden Kampfgenossen noch
inniger verbinden können, dann darf die evangelische Kirche
gerade auf diesem Gebiete auch auf manche Wunde blicken. Wir
würden heute nicht su mittellos dastehen, auch in unserer
caritativen Arbeit nicht, wenn nicht im vorigen Jahrhundert
so viele Kirchengüter uns dadurch verlorengegangen wären,
daß die Erbpacht in. schranktenloses Privateigentum übergeleitet
worden wäre. Sie werden deswegen wohl meinen Seufzer
heute verstehen, wenn ich sage: hätten Sie doch ein Jahrhundert
srüher gelebt! Aber wenn Gott einem Volke helfen will,
schickt er den rechten Mann zur rechten Zeit! So sind Sie auch,
jeßt zur rechten Zeit gesandt, um in unser volkswirtschaftliches
Denken und Tun dag ethische Moment wieder hineinzubringen,
namentlich in die Boden- und Wohnungswirtsschaft. Herbstzeit
ist keine Rosenzeit. Herbstzeit ist neue Saatzeit. So legen
Sie auch im neuen Jahrzehnt Ihres Lebens neu die Hand an.
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