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MII.
Lübke, Geschäftsführer des Reichsverbandes landwirtschaft-
licher Klein- und Mittelbetriebe:
Hochverehrtes Geburtstagskind, meine sehr geehrten
Damen und Herren!
Es wird so gern von unseren Gegnern behauptet, die Boden-
reform habe nur für sstädtische Verhältnisse Bedeutung, ihre
Durchführung würde an dem gesunden Sinn der ländlichen
Bevölkerung scheitern. Gott sei Dank ist dieser Sinn wirklich so
gesund, daß er eine andere Richtung nimmt, als manche Leute
wünschen, und wenn auch oft auf dem Lande versucht wird,
die Bodenreform als etwas hinzustellen, das viel schlimmer .sei
als z. B. der Kommunismus, so kann ich Ihnen sagen, daß
heute die Entwicklung auf dem Lande wirklich viel zu gesund
ist, um solchen Versuchen zu folgen. Es ist auch nicht richtig,
daß auf dem Gebiete der Agrarpolitik und der landwirtschaft-
lichen Geset gebung von unseren Vertretern in Parlament und
Regierung noch gar nichts geleistet worden sei. Ich brauche nur
daran zu erinnern, daß z. B. im landwirtschaftlichen Sied-
lungswesen die Frage der bodenreformerischen Bindung heute
bereits selbstverständlich geworden ist. Auch unsere Herren
Gegner wagen das überhaupt nicht mehr anzutasten. In der
Anliegersiedlung z. B. gehen die bodenreformerischen Bindungen
so weit, das derjenige, der auf dem Wege der Anliegersiedlung
sein Besitztum vergrößert, auch sein gesamtes früheres Eigentum
mit diesen bodenreformerischen Bindungen mitbelasten muß, so
daß die ganze Besitung dann eine Wirtschaftsheimstätte im Sinne
unserer Bodenreform ist. Ich erinnere auch an die Pachtschut-
ourdnung, die verhindern will, daß der private Großgrund-
eigentümer mit seinem Lande Wucher treibt usw. Alle diese
Geseße beruhen auf dem von Dr. Damaschke in die Reichsver-
fassung hineingebrachten Artikel 155! Aber dieser Artikel wäre
graue Theorie, wenn sich nicht auf allen Gebieten Organisa-
tionen und Perssonen fänden, die daran arbeiteten, diese Theorie
in die Praxis überzuführen. Auf dem Gebiete der Agrarpolitik,
der Landwirtschaft hat sich dies gerade unter Mitwirkung
von Dr. Damaschke gezeigt. Er wird sich gern erinnern, wie wir
zusammen im Juni 1922 die damals bestehenden Kleinbauern-
verbände in Hannover zusammensschlossen zum Reichsverbande
landwirtschaftlicher Kleinbetriebe, der heute Reichsbund land-
wirtschaftlicher Klein- und Mittelbetriebe heißt. Dieser hat
es sich zur Aufgabe gemacht, in die Agrarpolitik bodenreforme-
rische Grundsätze hineinzubringen. Jeder Verband, der sich an-
schließt, hat die Bodenreform in seinen Satzungen ausdrück-
tt
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