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Hauses heraus und rief in die Dunkelheit, in die stöhnende,
klagende, jammernde Menschenmenge hinein: Hört mir zu, seht
meine Fackel, folgt mir!
Aber die Masse trottete, schimpfte, lärmte weiter und folgte
nicht. Die Fledermäuse indessen, die ein feines Auge hatten für
beginnende Lichter, wurden aufmerksam; sie merkten früher als
die anderen, was jenes Licht bedeutete, und sie versuchten zu-
nächst, gegen den Fackelträger anzustürmen und ihm die Fackel
aus der Hand zu schlagen. Als dieser Flug der Fledermäuse
nicht gelang, fing man die zweite Methode an, die man auch seit
Jahrhunderten kennt. Man diskreditierte den Fackelträger, den
Bringer der Wahrheit und rief: Lauft doch nicht diesem Licht
nach, es ist ja ein Irrlicht! Wer trägt es denn; wer ist das über-
haupt, der gegenüber allen bisherigen wissenschaftlichen Grund-
sätzen eine neue Wahrheit predigen will, der trotg aller medizi-
nischen, theologischen und staatsrechtlichen Fakultäten erklären
will, er könne die richtige Diagnose stellen?! Ein Volks -
s<ullehr er! ~ Er will klüger sein, als alle anderen, als
die Fakultäten, die Parlamentarier – und außerdem und
übrigens, und das ist das Schlimmste, ist er auch noch aus
Berlin! (Große Heiterkeit.) Was kann daher Gutes kommen?
~ Sv ging es viele Jahre hindurch. Wir wissen es alle. Bis
neue beherzte Männer zu Fackelträgern wurden, bis es endlich
heller wurde und endlich die Zeit herankam, in der man von
den Dingen reden konnte, ohne etwa als „umstürzlerisch“ oder
als „antinational“ bezeichnet zu werden oder wie alle die mehr
oder weniger blöden Vorwürfe lauten, mit denen man auch heute
noch hausieren geht. Daß es möglich war, diese Bataillone
und später diese Armee von Fackelträgern zu sammeln, verdanken
wir der eisernen Energie des Mannes, der heute seinen 60. Ge-
burtstag feiert und nun auf jene Jahre des Kampfes, der
Finsternis, des Nebels in wehmütiger, aber auch in froher Er-
innerung zurückblicken kann.
Er konnte das vollbringen, weil er auch die seltene Gabe
besaß, seine Gedanken in Schriften volkstümlich darzustellen.
Auch da kamen die „Klugen“ und sagten: „Das soll Wissenschaft
sein?! Das versteht ja jeder gleich, wenn er es liest!‘“ (Große
Heiterkeit!) Wissenschaft, das sind auf Stelzen gehende Sähez;
Wissenschaft ist eine Vielheit von Fachausdrücken; Wissenschaft
ist ein Buch, in welchem das eigentliche Thema erst in der
zweiten Hälfte beginnt.
Das war und ist ja gerade die größte Kunsst: Schwere Pro-
bleme gemeinversständlich, faßlich und lichtvoll so darzulegen, daß
auch der Arbeiter, der Angestellte versteht, was er mit glänzen-
den Augen liest bis zu Ende, um dann auszurufen: „Ja, das ist
d er Weg zur Freiheit!“