15. Eine andere Veränderung, die einen Einfluß auf
die Verteilung der Industrie, auf die Handelspolitik und
den Handel hat, ist die Verringerung des Auswanderer-
stromes. Dieser Umstand in Verbindung mit den großen
Unterschieden in der natürlichen Vermehrung der ver-
schiedenen Völker verursacht Veränderungen in der Be-
völkerungsdichte. Die Länder, in denen die Bevölkerung
im Verhältnis zu ihrem Gebiet und ihren natürlichen
Hilfsquellen zu rasch wuchs, haben infolgedessen ihre
industrielle Betätigung intensiver gestaltet und legen
besonderen Wert darauf, daß andere Länder eine liberale
Rohstoffpolitik befolgen. Was Europa betrifft, so ist das
Auswanderungsproblem teilweise und vorübergehend
durch eine ungewöhnlich starke Wanderungsbewegung
zwischen den verschiedenen kontinentalen Staaten gelöst.
16. Einige der Veränderungen, die unser Bericht
aufzeigt, können jedoch durchaus nicht allein den Wir-
kungen des Krieges zugeschrieben werden. Die öffent-
liche Meinung Europas beginnt sich darüber klar zu
werden, daß der Krieg Wandlungen in der Weltlage
beschleunigt hat, die schon in den ersten Jahren des
20. Jahrhunderts begonnen hatten. Nachdem ein volles
Jahrhundert lang die anderen Erdteile sich damit begnügt
hatten, Europa mit Rohprodukten zu versorgen gegen
Lieferung von Industrieerzeugnissen, zu deren Herstellung
Europa allein befähigt war, konnte ein verständnisvoller
Beobachter seit 1905 oder 1906 – und in den Ver-
einigten Staaten wahrscheinlich schon 20 Jahre früher
feststellen, daß ein neues Kapitel in der Geschichte dieser
entlegenen Länder begonnen hatte, dessen Hauptmerkmal
der Versuch war, eigene Industrien zu errichten. Der
Krieg leistete dieser Entwiklung durch Beschränkung und
Ablenkung des Handels zwischen Europa und der übrigen
Welt erheblichen Vorschub.
. 17. Angesichts dieser neuen Lage befindet sich Europa
in schwerem Nachteil. Einige seiner vorübergehenden
Schwierigkeiten sind schon erwähnt. Aber noch andere
beeinflussen in höherem oder minderem Grade die Wirt-
schaft der verschiedenen Länder. Die Währungsstörungen
haben in fast jedem Lande zu einem Mißverhältnis der
Löhne in verschiedenen Gewerbezweigen, der Preise ver-
schiedener Waren und zu einem solchen zwischen Löhnen
und Preisen geführt. Die schwierigen Anpassungen, die
diese Verhältnisse notwendig machten, führten zu Diffe-
renzen zwischen Unternehmern und Arbeitern, in manchen
Jällen zu großen sozialen Verschiebungen. Diese Dinge
liegen außerhalb unseres Aufgabentreises, aber sie dürfen
nicht übersehen werden, wenn man versucht, die Gründe
füt die Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts dar-
zulegen.
18. Europa ist aber auch durch Probleme internatio-
nalen Charakters benachteiligt. Die Bemühungen, seine
wirtschaftliche Stellung zurückzugewinnen, erfordern
Rationalisierung der Industrie und Übereinstimmung
zwischen den wirtschaftlichen Bestrebungen der ver-
schiedenen Länder. Man muß zugeben, daß die Möglich-
keit, Europa als wirtschaftliche Einheit zu organisieren,
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