reich, Lombardei, Andalusien — sind sie nicht Zeugen rück-
gebildeter Volksgrenzen ?
Zu fruchtbaren Vergleichen aus einer Erinnerung, die
immerhin noch vielen Lesern vertraut sein mag, kommt man
auch, wenn man die „Fronten“ des Weltkrieges als zeitliche
(temporäre) Grenzen mit fast allen Lebenserscheinungen einer
Grenze auffaßt. Wie wenig sich tatsächlich durch die formalen
Friedensschlüsse an den hier zu erkennenden Analogien geändert
hat, das lehrt etwa ein Studium der raffinierten Grenzverstümme-
lungen, die durch Folgeerscheinungen des Vertrages von Ver-
sailles, z. B. aus der Interpretierung an Teil II, Art. 28 des
Friedensvertrages, am Zutritt zu Rhein und Weichsel seither
vollzogen worden sind (zoz). Auch dabei werden weitere Ver-
tragsbrüche selbst an diesen verstümmelten Rechten offenbar,
wie denn ja auch der Vertrag durch Verletzung von Teil IV,
Abschnitt VIII, Art. 156—158 durch die Konferenz von
Washington durchbrochen ist, also de facto und de jure bereits
ein mehrfach durchlöchertes Instrument darstellt. Die gleiche
Stümperei wirkt sich aber über die ganze Erde aus: auf dem
Boden des alten Habsburger-Reichs, in Albanien, in der Südsee
(Nauru). Sogar eine Grenze, wie die zwischen Alaska und
Kanada zeigt, wie übernommenes fremdes Gewalterbe, in diesem
Fall‘ des russisch-englischen Vertrages vom 16./28. IL. 1825,
neue Erwerber belastet.
Es ist nun freundliche Fügung, daß die schroffsten Wen-
dungen gegen die Unfähigkeit, Grenzen zu machen, gegen die
unmeßbaren Kosten geographischer Ignoranz aus angelsäch-
sischen Quellen entnommen werden konnten, denen wir uns
schon aus Höflichkeit gegen die heute noch weltbeherrschende
Rasse nur anzuschließen brauchen. Besonders wertvolle auf-
bauende Bemerkungen, vor allem über das Darstellbare und
nicht Darstellbare auf Grenzsprachenkarten, finden sich in dem
Buch von N. Krebs über die Alpenländer (ro2) und neuerdings
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