Berichten Caesars über Helvetier und Alemannen, als eines der
frühesten Denkmäler des Aufblitzens von Stammgrenzgefühl
bei den Germanen, jene durch Jordanis Gotengeschichte be-
kanntgewordene Forderung des Gepidenkönigs Fastida an den
Goten Ostrogotha: er solle ihm Land abtreten, weil sich die
Gepiden „durch schroffe Gebirge und dichte Wälder allzusehr
eingeengt fühlten“; eine Forderung nach Grenzerweiterung,
die dann zur Schlacht bei Gault am Altflusse führt. Es ist ein
winziges Stück aus der Gesamttragödie des Einbruchs der
Donaugrenze, die Joh. Bühler in seinem Quellenwerk „Die
Germanen in der Völkerwanderung“ (720) nach zeitgenössischen
Quellen schildert. Unter diesen Quellen ist eine der merk-
würdigsten die Vita Severini, das Leben des hl. Severin, des
Apostels von Noricum, weil sich darin eine der wenigen guten
Beobachtungen über den merkwürdigen Grenzinstinkt der
Bajuwaren für das ihnen gemäße Siedlungsland findet, dem
gehorchend sie sich um den bayerischen und südlichen Böhmer-
wald wie um eine Achse im Laufe ihrer Landnahmen herum-
drehten — ohne doch diesen Waldpfeiler der leider großen-
teils geräumten Waldfestung Böhmen, in der sie zuerst nach-
gewiesen werden, jemals ganz aus den Augen, aus dem Sied-
lungsbereich zu verlieren. Das ist gewiß ein Beispiel für ihre
Heimatzähigkeit schon in frühen Tagen; im Gegensatz zu so
vielen anderen Germanenstämmen, die bis auf die Namen wie:
Andalusien, Lombardei u. a. in fremdem Volkstum grenzenlos
und haltlos verschwinden. Das Ringen romanischer und ger-
manischer Grenzbildung, des Grenzgefühls, wie es sich dabei
entwickelt, ist natürlich für Innereuropa eine der lehrreichsten
Fundgruben, die Jung und Bidermann (z27) ausmünzten, die
neuerdings R. Borchardt (z22) an dem feingewählten Beispiel
des Verhältnisses von Germanen und Romanen zur „Villa“,
d. h. im Gegensatz des romanischen und germanischen Land-
Sıtzes an einem einzelnen Beispiel erläutert.
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