Aber dieses erste war wenigstens kein rein deutsches Reich
gewesen, sondern als Wolkenbau mit seinen bei jedem Wind-
hauch wallenden Grenzen ein römisches deutscher Nation.
Keiner weiß heute, ob es je wieder zu einem dritten Reiche
kommt, so heiß und glühend es Manche ersehnen und erhoffen.
Jedenfalls verdient das Gemisch von Ruine und Notbau, worin
wir heute leben, nicht den Namen eines Reiches, von dem es
nur der Schatten und der gerettete Rechts- und Lebensanspruch
ist. Denn ein Reich muß Grenzen haben, die es aus eigener Kraft
wahren kann!
Damit ein drittes Reich aber jemals in Raum und Zeit wieder
in Mitteleuropa möglich werde, bedarf es sicher des Weiter-
lebens der Vorstellung, der Idee von ihm in überzeugender
Form und anschaulichen, geschauten Grenzen. Auch einer so
sachlich als möglich begründeten Erkenntnis jener Grenzen
bedarf es, die seiner Lebensform von außen her gezogen sind,
sei es als naturentlehnte, sei es als von menschlicher Kraft,
Rassenwillen und Machtwillkür gesetzte, und des klaren Be-
wußtseins von ihrer Veränderlichkeit oder ihrer Dauerkraft.
Denn jede Grenze, die brauchbar sein soll und Dauerkraft haben
müßte, ist ja gleichzeitig nicht nur eine politische, sondern eine
Grenze vieler Lebenserscheinungen und selbst in sich wieder
eine Lebensform, eine eigene Landschaft mit ihren eigenen
Daseinsbedingungen, eine mehr oder weniger breite Kampfzone,
ein Saum; ganz selten wird sie zur Linie, wie sie der Jurist, der
Mann des Papiers so gerne ziehen möchte, wie sie die Natur
und das Leben aber ablehnen, in denen nichts Dauer hat als der
Kampf ums Dasein in seinen ewig wechselnden Formen, seiner
unablässigen Raumverschiebung.
Der Schauplatz dieses Kampfes aber ist vor allem die Grenze,
die erst erstarrt, wenn sie in Wahrheit abstirbt und wenn die
Kräfte längst am Werke sind, die das Abgestorbene beseitigen
wollen und das an ihm noch Brauchbare in neues Leben ver-