Full text: Grenzen in ihrer geographischen und politischen Bedeutung

griffs der vermeintlichen unbewohnbaren Erde durch die fort- 
schreitende Kulturgeschichte eröffnet. Wir hatten gesehen, wie 
den Griechen das Pontos axeinos zum euxeinos wurde und wie 
die Küste desselben Schwarzen Meeres dann wieder zurückglitt 
zur geringen Wertschätzung durch Ovid in Tomi oder Puschkin 
in Bessarabien, der den Römer als Gesinnungsgenossen ansang 
und nicht ahnte, daß Euxinograd mit seinen Prachtgärten einst 
die Synthese feinster Kultur in ihrer beider Nachbarschaft be- 
deuten würde. 
Wie verwandt war doch das mittelmeer-entstammte Ab- 
lehnungsverhältnis der Römer, für die mit der Rebe, der Edel- 
kastanie, dem Efeu, der Pinie und Zypresse der Begriff der 
mit Genuß bewohnbaren Erde aufhörte, zu den germanischen 
im Winter nebeligen und verschneiten, im Sommer mücken- 
wimmelnden Hinterwäldern, in denen heute weltberühmte 
Kurorte stehen, oder die Ablehnung der französischen Mar- 
schälle Napoleons gegen die schwäbisch-bayerische Voralpen- 
landschaft (278), in der nachher schon ihre Enkel Kneippkuren 
gebrauchten. Auch das verschiedene Verhältnis der Japaner, 
Chinesen und Russen zur nordischen Ökumene als wichtiges 
politisches Motiv bei ihrer Grenzlandorganisation hatten wir 
kennengelernt, aber auch gesehen, wie bei der Neubildung der 
Mansen aus Chinesen, Russen und Paläoasiaten die Chinesen 
sich mit ähnlichen Fragen auseinandersetzen, wie sie einst 
unsere Kolonisation im Weichselland aufwarf. Auch die west- 
amerikanische Landverbesserung, aber auch die Einführung 
frostharter Weizensorten, die Überwindung der Tsetsefliege, 
der Schlafkrankheit, wie früher der Malaria, der Eisbarrieren 
der Karasee, die Wiederbewässerung von Dürrland: das alles 
gehört zu den Grenzerweiterungstaten angewandter Erdkunde, 
durch lebende Grenzorganisation! Wir sehen also hier eines 
derstärksten politisch-geographischen Motive an der Arbeit (279), 
bei der unser Volk um die Ergebnisse von mehr als drei Jahr- 
6 Haushofer, Grenzen 
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